Die Schule war nicht nur eine Institution, die wie andere den Tatbestand und die Probleme ethnischer Vielfalt im Zeitalter des Nationalismus gespiegelt hat. Die Schule war einer der wichtigsten Schauplätze dieser Verwicklungen, so wichtig, daß immer wieder der Gedanke auftauchen konnte, hier entschiede sich überhaupt, wer aus den innerstaatlichen Nationalkonflikten als Sieger hervorgehe. Mit der Unterrichtssprache und dem Fach Geschichte schien die Schule besser als andere Institutionen geeignet, die Nation als Bild und Norm in den Köpfen zu verankern. Mit der schrittweisen Durchsetzung der Lernpflicht für jedermann, dem Auf- und Ausbau eines Netzes allgemeinbildender und berufsspezifischer Lehranstalten zog die Schule immer mehr Menschen für immer längere Zeit in ihren Einwirkungskreis und gewann mit den Qualifikationen, die sie verteilte oder versagte, immer größeren Einfluß auf das soziale Schicksal der einzelnen. Mit der wachsenden Kontrolle schließlich, die der Staat über das Bildungswesen beanspruchte, wurde die Schule immer mehr zu einem Instrument, das die zentrale Steuerung gesamtgesellschaftlicher Prozesse erlaubte oder doch zu erlauben schien. Es war danach unvermeidlich, daß in gleichem Maß, wie ethnische Tatbestände in Ostmitteleuropa dominant wurden, die Schule in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rückte und nicht mehr daraus verschwunden ist.
Rex Rexheuser: Editorial
Abhandlungen und Forschungsberichte
Esten und Deutsche Sirje Kivimäe (Reval). Estnische Frauenbildung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Michael Garleff (Oldenburg): "Kein Kind ohne deutsche Schule." Das deutsche Schulwesen im unabhängigen Estland bis zur Übernahme durch die Kulturselbstverwaltung Letten und Deutsche Vija Daukste (Riga): Probleme des lettischen Schulwesens im 19. Jahrhundert bis 1918 - Ergebnisse und Aufgaben der historischen Forschung Helena Simkuva (Riga). Die Probleme des lettischen Schulwesens in der Republik Lettland (1919-1939) - Ergebnisse und Aufgaben der historischen Forschung Litauer und Deutsche Arthur Hermann (Bammental): Litauischsprachiger Unterricht in Ostpreußen und seine Darstellung in der deutschen und litauischen Historiographie Harry Stossun (Ratzeburg): Das deutsche Schulwesen in Litauen in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Eine Übersicht der deutschsprachigen Literatur und Archivalien Saulius Kaubrys (Wilna): Schulen der nationalen Min-derheiten im Bildungswesen des unabhängigen Litauen (1918-1940) Polen, Juden, Ukrainer und Deutsche Gregor Harzheim (Simmerath): Aspekte polnischer und preußischer Schulpolitik im Posener Raum am Vorabend des Nationalismus. Bemerkungen zur Rolle von Sprache und Konfession in der Elementarschulpolitik Wolfgang Jacobmeyer (Münster): Schule als "Fundament des Volkstums" in der deutsch- polnischen Beziehungsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Ein Bericht zum deutschen Schrifttum Boleslaw Grzes (Warschau): Die Schulprobleme der Polen in Preußen in den Jahren 1815-1871 Krzysztof Makowski (Schwersenz): Verzeichnis der israelitischen Absolventen von Gymnasien im Großherzogtum Posen in den Jahren 1815-1848 Witold Molik (Posen): Sozialer Aufstieg durch Bildung. Jüdische Abiturienten im Großherzogtum Posen und die Richtungen ihrer Berufskarrieren in der zweiten Hälfte des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts Stanislaw Mauersberg (Warschau): Das deutsche Schulwesen im unabhängigen Polen 1918-1939 Horst-Dieter von Enzberg (Melbeck). Die Goethe-Schule in Graudenz zwischen den Weltkriegen: Schule der deutschen Minderheit in Polen und moderne Versuchsschule Eugeniusz Cezary Król (Warschau): Die nationalsozialistische Schulpolitik im besetzten Polen 1939-1945 Eva Krafczyk (Hannover): Deutsche Besatzung und polnisches Schulwesen. Posen 1939-1945 Marian Walczak (Warschau): Ukrainer und Polen als Studenten in Lemberg 1942-1944 (Lemberger Fachkurse)
Mitteilungen
Einrichtung eines Schulmuseums und einer schulgeschichtlichen Forschungsstelle in Neustadt a.d. Aisch (Franken) (Marianne Doerfel) Das Symposion "Bildungspolitik im besetzten Polen" - ein Bericht (Marianne Krüger-Potratz) Aktuelle Probleme und Bedürfnisse des Deutschunterrichts im Oppelner Schlesien (Joachim Rogall)
Rezensionen
Franz Kössler, Verzeichnis von Programm-Abhandlungen deutscher, österreichischer und schweizerischer Schulen der Jahre 1825-1918. (Ulrich Ribbert) Schooling, Educational Policy and Ethnic Identity, ed. by Janusz Tomiak in coll. with Knut Ericsen, Andreas Kazamias and Robin Okey. (Sabine Bamberger) Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte. (Manfred Heinemann) Carl Johannes Rummel, Friedhelm Finke, Das städtische Gymnasium zu Liegnitz. (Marianne Doerfel) Danuta Tomaszewska, Drogi Wyboru. Konspiracyjny ruch samoksztalceniony na ziemiach polskich w koncu XIX i na poczatku XX wieku (Wege der Wahl. Die konspirative Selbstbildungsbewegung auf polnischem Boden Ende des 19. Und Anfang des 20. Jahrhunderts). (Gabriele Lesser) Gimnazjum Polskie Macierzy Szkolnej w Gdansku (1922-1939). Cz. II: Ksiega pamiatkowa w szescdzie-sieciolecie zalozenia gimnazjum (Das Gymnasium der Schulheimat Polen in Danzig 1922-1939. Erinnerungsbuch zum 65jährigen Bestehen des Gymnasiums). (Joachim Rogall) Tadeusz Filipkowski, W obronie polskiego trwania. Nauczyciele polscy na Warmii, Mazurach i Powislu w latach miedzywojennych (Verteidigung des polnischen Daseins. Polnische Lehrer in Ermland, Masuren und im Weichselgebiet in der Zwischenkriegszeit); Tadeusz Filipkowski, Nauczyciele polscy w Niemczech 1919-1939. Portret zbiorowy (Polnische Lehrer in Deutschland 1919-1939. Ein Sammelporträt). (Grzegorz Ja-sinski)