Nordost-Archiv. Zeitschrift für Regionalgeschichte XIV (2005)

Titel der Ausgabe 
Nordost-Archiv. Zeitschrift für Regionalgeschichte XIV (2005)
Weiterer Titel 
Zwangsmigrationen in Nordosteuropa im 20. Jahrhundert

Erschienen
Lüneburg 2005: Nordost-Institut
Erscheint 
jährlich
ISBN
0029-1595
Anzahl Seiten
455
Preis
15 € bzw. 17,50 €

 

Kontakt

Institution
Nordost-Archiv. Zeitschrift für Regionalgeschichte (NOA)
Land
Deutschland
c/o
Kontaktadresse der Redaktion: Frau Dr. Anja Wilhelmi, <a.wilhelmi@ikgn.de>
Von
Wilhelmi, Anja

Editorial

Die vehementen innerdeutschen wie internationalen Diskussionen über eine europäische Kontextualisierung von Vertreibung, wie sie im politischen Raum und einer internationalen wissenschaftlichen Öffentlichkeit geführt wurden und weiter werden, verdecken die erheblichen Lücken, die in der zeitgeschichtlichen Forschung zu politisch motivierten Zwangsmigrationen im Europa des 20. Jahrhunderts klaffen. Um aber die Debatte darüber im „Zeitalter der Extreme“ überhaupt sinnvoll führen zu können, sind grundlegende Bestandsaufnahmen zahlreicher Vertreibungsgeschehen erst noch zu leisten. Dies gilt in ganz besonderem Maße für Prozesse von Flucht, Zwangsumsiedlung und ethnischer Säuberung außerhalb des deutsch-polnisch-tschechischen Konfliktknotens, der in den letzten 15 Jahren auch in internationaler Kooperation intensiv bearbeitet wurde.
In dem vorliegenden Themenheft des Nordost-Archivs werden Zwangsmigrationen nichtdeutscher Bevölkerungsgruppen zum ersten Mal in deutscher Sprache vorgestellt und der Forschungsstand etwa der russischen oder der litauischen Historiografie in zahlreichen Überblicksartikeln verdeutlicht. Im Einzelnen sind im Band Beiträge enthalten, die beispielsweise Konzepte ethnischer Segregation Nordosteuropas in der Politik der Großmächte Russland und Deutschland am Vorabend des Ersten Weltkrieges darstellen, oder die ethnische Segregation durch Zwangsmigration in Gestalt der deutschen Militärpolitik im östlichen Europa und als Mittel der zarischen Militärdoktrin gegenüber jüdischen und deutschen Bevölkerungsgruppen thematisieren. Weiterhin ist einerseits die durch die Neuordnung nach dem Ersten Weltkrieg in Gang gesetzte Abwanderung der deutschen Bevölkerung aus den Polen zugesprochenen Territorien Gegenstand der Untersuchungen, und andererseits die nach dem Überfall auf Polen 1939 in Nordosteuropa erfolgte Welle von vielfach kausal verknüpften Zwangsmigrationen, die nicht nur die polnische und die jüdische Bevölkerung, sondern auch die Deutschbalten einschloss. Drei Studien sind zu Zwangsmigrationen in den besonders von Deportationen und Prozessen ethnischer Segregation betroffenen Ländern, den baltischen Staaten, versammelt, in denen die Zwangsmigration und ihre Bedeutung für die estnische und litauische Gesellschaft beschrieben und analysiert werden. Auch sind Skizzen zu den der deutschen Öffentlichkeit wenig geläufigen, vielfach als „Repatriierungen“ beschönigten Umsiedlungsmaßnahmen polnischer Bevölkerungsgruppen aus Weißrussland nach 1945 und zu der, ebenfalls wenig bekannten, aber nicht unbedeutenden Aufnahme von griechischen Flüchtlingen in der Volksrepublik Polen, im Heft enthalten. In dem letzten Beitrag werden außerdem Forschungspositionen russischer Historiker in Hinblick auf die Zwangsmigration in Nordosteuropa vorgestellt.
Zusammengefasst wird in dem Heft einerseits der aktuelle Forschungsstand zu weniger bekannten Migrationsprozessen dargestellt, und andererseits eine Zwischenbilanz zu der reichen Forschungslandschaft gezogen, die in den letzten 15 Jahren entstanden ist.

Hans-Jürgen Bömelburg und Stefan Troebst, Lüneburg/Leipzig

Inhaltsverzeichnis

Hans-Jürgen Bömelburg (Lüneburg), Stefan Troebst (Leipzig): Editorial

Abhandlungen

Theodore R. Weeks (Carbondale, USA): Concepts of Ethnic Separation in North-Eastern Europe to World War I

Vėjas Gabriel Liulevičius (Knoxville, USA): Precursors and Precedents: Forced Migration in Northeastern Europe during the First World War

Marek Stażewski (Gdańsk): Zwischen Freiwilligkeit und Abwanderungsdruck. Die Migration von Deutschen aus dem nach dem Ersten Weltkrieg Polen zuerkannten Teil Westpreußens

Matthias Schröder (Münster): Die Umsiedlung der Deutschbalten im Kontext europäischer Zwangsmigrationen

Karsten Brüggemann (Hamburg): Von Migranten, Verbannten und Deportierten: Sibirien als Ort der estnischen Geschichte

Arvydas Anušauskas (Vilnius): Zwangsmigrationen von Litauern 1939–1953

Małgorzata Ruchniewicz (Wrocław): Zwangsumsiedlungen von Polen aus den von der Weißrussischen Sowjetrepublik annektierten Territorien (1939–1959)

Stefan Troebst (Leipzig), Anna Tutaj (Wałbrych): Zerstrittene Gäste. Bürgerkriegsflüchtlinge aus Griechenland in Polen 1948–1998

Pavel Polian (Freiburg): Zwangsmigrationen in Nordosteuropa. Ein Überblick über Arbeiten in der russischen Historiografie

Mitteilung

Displaced Persons. Flüchtlinge aus den baltischen Staaten in Deutschland. Seminar der Baltic Academy mit der Gustav-Heinemann-Bildungsstätte Malente und dem Honorarkonsulat der Republik Lettland in Schleswig-Holstein vom 24.–26. März 2006 in Malente (Olga Kurilo)

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