Nach dem Zerfall der Imperien: Historische Zäsur und biografische Erfahrung im östlichen Europa / After the Fall of Empires: Historical Turning Points and Biographical Experience in Eastern Europe
Diese Ausgabe des Nordost-Archivs versammelt individual- und kollektivbiografische Betrachtungen aus Deutschland, Polen, Russland und den baltischen Staaten. Sie fallen in die Zeit, in der sich die Imperien des Russländischen Reiches, des Osmanischen Reiches, der Habsburgermonarchie und des deutschen Kaiserreichs auflösten und von neuen Ordnungen ersetzt wurden. Die neuen Staaten bauten dabei vielfach auf Eliten, Institutionen sowie soziale und ökonomische Strukturen aus den Imperien auf. In den Imperien eingeübte soziale Praktiken lebten fort, Netzwerke und Räume konnten das Verschwinden politischer Grenzen lange überdauern. Für die Akteure dieses Heftes entstand vielfach ein Übergangsraum, der sowohl von der Dynamik des Neuanfangs als auch vom Verlust des Altbekannten gekennzeichnet sein konnte: Es gab nach 1914/18 zahlreiche historische Wirklichkeiten, Chancen und Risiken. Anhand des biografischen Ansatzes werden multiperspektivische sowie zäsur- und grenzüberschreitende Zugänge zu dieser Zeit entwickelt, die sich bei einer alleinigen Betrachtung der Imperien ohne ihr Nachleben genau so wenig erschließen wie bei einer isolierten Betrachtung der neuen politischen Entitäten ohne ihr imperiales Vorleben.
INHALTSVERZEICHNIS
Editorial:
Katrin Steffen (Lüneburg): Das Nachleben der Imperien: Eine integrierte biografische Perspektive auf Russland, Deutschland, Polen und das Baltikum, S. 9
Abhandlungen:
Martin Müller-Butz (Jena): Nach dem Imperium: Zur Entstehung (und zum Ende) des Wilnaer sowjetoznawstwo aus erfahrungsgeschichtlicher Perspektive, S. 23
Hanna Bazhenova (Lublin): Evacuation without return: World War I and the Historians of the Warsaw Imperial University, S. 48
Per Bolin (Södertörn): The Fall of Empire and the Emergence of New Elites: Creating a National Academic Elite at the University of Latvia, 1919–1922, S. 67
Valters Ščerbinskis (Rīga): Attorneys and notaries between two worlds. Educated professionals in Latvia before and after the 1918 independence, S. 86
Jens Boysen (Warschau): Gezeiten nationaler Identität: Joseph Unruh / Józef Unrug als Offizier der deutschen und polnischen Marine (1907–1918 bzw. 1919–1947), S. 103
Mathias Voigtmann (Chemnitz): Die „Baltikumer“ – Deutsche Freikorps im Lettland des Jahres 1919 als besondere Schule der Gewalt, S. 122
Tobias Grill (München): Isaak Nachmann Steinberg: „Als ich Volkskommissar war“ oder „Eine soziale Revolution, die die Rechte ihrer Klassengegner verteidigt – das wäre eine große moralische Lehre der Menschlichkeit gewesen!“, S. 141
Karsten Brüggemann (Tallinn): Erinnerungen von Frauen an Krieg und Revolution oder: des Bolschewiken „fanatische Augen“. Autobiografische Darstellungen von Umbruch und Aufbruch in Estland 1914–1920, S. 168
Andrea Griffante (Kaunas): „Irgendetwas in mir ist verhärtet oder abgestorben. Ich bin nicht mehr die, die ich war.“ Gabrielė Petkevičaitė und ihr Kriegstagebuch, S. 192
Forschungsbericht:
Christin Conrad (Lüneburg): „Was Du ererbt von Deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen!“ Familiengeschichtsforschung: Das Familienarchiv Schwarz in Dresden und Lüneburg, S. 209
Rezensionen:
Ulrich Prehn: Max Hildebert Boehm. Radikales Ordnungsdenken vom Ersten Weltkrieg bis in die Bundesrepublik (Matthias Barelkowski), S. 221
Andreas Oskar Kempf: Biographien in Bewegung. Transnationale Migrationsverläufe aus dem ländlichen Raum von Ost- nach Westeuropa (Florian Kührer-Wielach), S. 223
Eike Eckert: Zwischen Ostforschung und Osteuropahistorie. Zur Biographie des Historikers Gotthold Rhode (1916–1990) (Esther Abel), S. 225
Stephan Rindlisbacher: Leben für die Sache. Vera Figner, Vera Zasulič und das radikale Milieu im späten Zarenreich (Anke Hilbrenner), S. 227
Hanspeter Marti (Hrsg.): Kulturaustausch. Baltisches Echo auf Gelehrte in der Schweiz und in Deutschland (Martin Klöker), S. 229
Debora Sommer: Eine baltisch-adlige Missionarin bewegt Europa. Barbara Juliane v. Krüdener, geb. v. Vietinghoff gen. Scheel (1764–1824) (Anja Wilhelmi), S. 232
Per Bolin: Between National and Academic Agendas (Adam Brode), S. 235
Jörg Ganzenmüller: Russische Staatsgewalt und polnischer Adel. Elitenintegration und Staatsausbau im Westen des Zarenreiches (1772–1850) (Manfred von Boetticher), S. 238
Mari Tarvas (Hrsg.): Bibliothekskataloge der Tallinner Literaten des 18. Jahrhunderts. Quellenedition aufgrund überlieferter Nachlassverzeichnisse (Dorothee M. Goeze), S. 240
Mārtiņš Kaprāns, Olga Procevska u.a. (Hrsg.): Padomju deportāciju pieminēšana Latvijā: Atmiņu politika un publiskā telpa [Das Gedenken an die sowjetischen Deportationen in Lettland: Erinnerungspolitik und öffentlicher Raum] (Ron Hellfritzsch), S. 242
Małgorzata Pakier: The Construction of European Holocaust Memory (Magdalena Waligorska), S. 245
Christoph Dieckmann: Deutsche Besatzungspolitik in Litauen 1941–1944 (Ruth Bettina Birn), S. 248
Björn M. Felder, Paul J. Weindling (Hrsg.): Baltic Eugenics. Bio-Politics, Race and Nation in Interwar Estonia, Latvia and Lithuania 1918–1940 (Tilman Plath), S. 252
Tilman Plath: Zwischen Schonung und Menschenjagden. Arbeitseinsatzpolitik in den baltischen Generalbezirken des Reichskommissariats Ostland 1941–1944 (Ruth Bettina Birn), S. 255
Anna Moskal: Im Spannungsfeld von Region und Nation. Die Polonisierung der Stadt Posen nach 1918 und 1945 (Pascal Trees), S. 258
Ulrich Schmid (Hrsg.): Schwert, Kreuz und Adler. Die Ästhetik des nationalistischen Diskurses in Polen (1926‒1939) (Christian Prunitsch), S. 260
Per Anders Rudling: The Rise and Fall of Belarusian Nationalism 1906–1931 (Irina Romanova), S. 263
Ulrike Huhn: Glaube und Eigensinn – Volksfrömmigkeit zwischen orthodoxer Kirche und sowjetischem Staat, 1941 bis 1960 (Sebastian Rimestad), S. 268
Lilita Zalkalns: Back to the Motherland. Repatriation and Latvian Émigrés 1955–1958 (Raimonds Ceruzis), S. 271
Klaus Garber: Das alte Breslau. Kulturgeschichte einer geistigen Metropole (Marcin Miodek), S. 274
Matthias Weber (Hrsg.): Jahrbuch des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa 20 (2012) (Raika Simone Maier), S. 280
Karsten Brüggemann, Mati Laur u.a. (Hrsg.): Die baltischen Kapitulationen von 1710 (Norbert Angermann), S. 283
Tobias Grill: Der Westen im Osten. Deutsches Judentum und jüdische Bildungsreform in Osteuropa (1783–1939) (Kerstin von der Krone), S. 286