Gerüchte übermitteln Informationen. Ihre Wirkung beruht auf Erzählungen von Gehörtem, aber nicht selbst Erlebtem. Nur als Geschehen, das keinen Autor und keinen Ursprung hat, kann das Gerücht ein Gerücht sein. Darin liegt die Ansteckungsgefahr begründet, die von Gerüchten ausgeht. Gerüchte stellen Öffentlichkeit her und zugleich repräsentieren sie sie, denn wer im Modus des Hörentsagens kommuniziert, gibt auch bekannt, was in einer Gesellschaft für glaubhaft gehalten wird. Überall, wo Menschen verstehen wollen, aber keine Antworten auf ihre Fragen erhalten, weil Informationen selten sind, kommen Gerüchte ins Spiel. Solche Situationen entstehen in Kriegen und staatsfernen Räumen, wo man Teil des Geschehens sein kann, ohne von ihm wirklich etwas zu wissen. Auch die Mächtigen fürchten die Gerüchte, weil sie unsichtbare Informationskanäle öffnen, die sie nicht unter Kontrolle haben. Gleichzeitig sind sie in der Lage, Gerüchte für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Gerade in Diktaturen tobt der Kampf um die Gerüchte.
ForumBloodlands – eine Debatte über europäische Geschichte zwischen Hitler und Stalin
Manfred Hildermeier: Montagen statt Mehrwert
Dariusz Stola: A Spatial Turn in Explaining Mass Murder
Dietrich Beyrau: Snyders Geografie
Rumours and Dictatorship
Jörg Baberowski: Die Diktatur der Gerüchte. Einleitung
Tadzio Schilling: Mächtige Signale. Informelle Kommunikation und Herrschaft an Stalins Hof, 1927–1940
Ulrike Huhn: Stimmen aus Jerusalem. Die Macht der Gerüchte und die religiöse Renaissance in der Sowjetunion, 1941–1948
Georg Wagner-Kyora: Väter der Gerüchte. Angst und Massenkommunikation in Halle und Magdeburg im Herbst 1989
Manuel Bastias Saavedra / Stefan Rinke: Rumour Propagation as a Form of Social Control. A Case from Dictatorial Chile
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Arnout Mertens / Hanna Sonkajärvi: Das Verbot der fremden Dienste. Herrschaftsvermittlung und Kontrolle von lokalen Eliten in den Österreichischen Niederlanden