Menschen und die anderen Tiere mögen unterschiedliche Umwelten haben, doch sie teilen miteinander eine Welt. Animal Geography, Animal Architecture oder Animal Citizenship sind grundlegende Themen der Animal Studies. In der sechsten Ausgabe von Tierstudien soll es daher um die Räume gehen, die Menschen Tieren zuweisen bzw. die Tiere sich selbst aneignen. Denn oft definieren Menschen Tiere über den Ort, an dem sie sich freiwillig oder zwangsweise aufhalten. Räume beeinflussen die Beziehungen und Interaktionen von menschlichen und nicht-menschlichen Tieren. Dabei können Räume sowohl einschließen wie ausschließen, marginalisieren wie fokussieren. Euphemismen wie Gehege, Reservat oder Voliere verschleiern, dass die Zuweisung von Räumen genau wie deren Eroberung immer auch eine Herrschaftsgeste ist. Ob sich ein Wesen vor oder hinter Gittern befindet bzw. vor oder hinter einer Kameralinse, legt hierarchische Strukturen offen.
Während viele menschliche Räume für Tiere unbetretbar sind („Wir müssen draußen bleiben.“), hat der Ökotourismus die letzten Flecken vermeintlich unberührter Natur für Menschen geöffnet. Andererseits halten sich nichtmenschliche Tiere an Orten auf, die für Menschen unbewohnbar sind. Für manche Tiere kann es sogar tödlich enden, wenn sie unsichtbare Grenzen überschreiten. Diesen und anderen Themen im Spannungsfeld Tiere und Raum widmen sich die geisteswissenschaftlichen Analysen und Künstlerstrecken dieser Ausgabe von Tierstudien.
Inhalt
Editorial
Tierspuren
Daniel Lau: Das Tier im neolithischen Raum am Beispiel des Fundortes Göbekli Tepe
Juliet MacDonald: Spuren im Labyrinth
Gehege
Andreas Stark: Koproduktion von Raum und Speziesismus. Eine genealogische Betrachtung räumlicher (An)Ordnungen von Tiergehegen
Christina May: Welten der Finsternis. Nachttierhäuser in Zoologischen Gärten
Der Ort der Tiere auf der Bühne und im Film
Lars Nowak: Mit Pavlov ins Kino. Die Orte der Tiere im sowjetischen Montagefilm der 1920er Jahre
Esther Köhring: Habitat Bühne. Theatertheriotopologie in Joseph Beuys: I like America and America likes me (1974)
Die Zuweisung von Lebensräumen
Ulrike Heitholt/Dominik Mahr: Raum-Tiere und Tier-Räume. Konzepte der Räumlichkeit von Vögeln in bürgerlichen Wissenskulturen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts
Matthias Preuss: Pferche. Der Gemeinplatz als (Nach-)Lebensraum
Künstlerische Positionen
Rolf Bier: Tiere in meiner Welt – meine Welt in Tieren
kainkollektiv: Tiere in Städten
Bryndís Snæbjörnsdóttir/Mark Wilson: A Safe Passage
Oskar Verant: TieRauMensch
Rezensionen
Abbildungsnachweise
Call for Papers: Wild