In dieser Ausgabe von Tierstudien geht es um Praktiken, Theorien und Visionen des Zusammenlebens der Arten. Dabei sollen das Miteinander- oder Beieinanderwohnen von Menschen und anderen Tieren und die Koexistenz unterschiedlicher Spezies in kulturellen Räumen im Fokus stehen. Alle Tiere richten sich auf ihre Art in der Welt ein und sind auf ihre Weise in ihr zuhause. Dies geschieht immer in relationalen Zusammenhängen. Sie lassen sich an Orten nieder, die nie ganz unbesetzt sind, oder arrangieren sich in Räumen, die ihnen zugewiesen wurden. Das soziale Zusammenleben wird dann jeweils im gemeinsamen Wohnen organisiert.
Es stehen vor allem domestizierte Tiere, verwilderte Haustiere und Kulturfolger:innen wie beispielsweise Hunde, Pferde und Tauben im Zentrum der Aufmerksamkeit der einzelnen Beiträge, aber auch Tiere in Zoos. Diese Tiere leben mit Menschen gezwungenermaßen oder freiwillig auf problematische oder auch auf gelingende Art und Weise in geteilten Räumen zusammen. Auch wenn die Stadt oft als ausschließlich menschlicher Raum imaginiert wird, waren Tiere immer schon Teil eines gemeinsam konstituierten urbanen Umfelds. Das wird zunehmend in der Stadt- und Freiraumplanung und in Architekturprojekten berücksichtigt. Auch künstlerische Projekte entwerfen kreative Möglichkeiten eines solidarischeren Zusammenlebens der Arten und in wissenschaftlichen Diskursen spielt eine gerechte Koexistenz von Menschen und anderen Tieren vermehrt eine Rolle.
Für die Diskussion des Zusammenlebens der Arten werden drei unterschiedliche Begrifflichkeiten produktiv gemacht: Während „Kohabitation“ vor allem das gemeinsame Wohnen meint, bezeichnet „Koexistenz“ das Nebeneinanderbestehen verschiedener Arten im gleichen Lebensraum unter Ausschluss von Konkurrenz. „Konvivialität“ hingegen wird als freundliche Form des Miteinanders und der Gemeinschaftlichkeit verstanden, als eine ethische Praxis in Multispeziesgesellschaften, Orte und Räume auf aufmerksame und bedeutungsvolle Weise miteinander zu teilen.
Editorial
Grundlagen und Perspektiven
Kurt Kotrschal Warum wir einander verstehen und gut zusammenleben könn(t)en
Fahim Amir Kohabitation. Ein Manifest für Solidarität von Tieren und Menschen im Stadtraum
Anne Hölck / Christina Katharina May Zoo-Wissen und Kohabitation. Territorien als speziesübergreifende Multi-Layer-Räume
Problematische Nachbarschaft
Ulf Wendler Kohabitation als Problem. Haustiere als Gefahrquelle in Pestzeiten
Michael K. Schulz Nutztierhaltung und Nachbarschaft in einer modernen Stadt. Posen 1900–1925
Kerstin Weich Parasite lost. Wohnen im Unbewohnbaren
Habitat Stadt
Annette Voigt / Janne Thomsen / Stefanie Hennecke / Thomas E. Hauck Wildtiere am falschen Ort? Vom Umgang mit Schädlingen, Nachbar:innen und Anpassungskünstler:innen in Stadträumen
Sarah Oechslin Problemtiere oder Wahlverwandte? Zusammenleben von Menschen und Tauben im urbanen Raum
Fahim Amir Fassadenwerk. Auf der Suche nach der „Methode m“
Praktiken und Theorien eines gelingenden Zusammenlebens?
Kerstin Jürgens / Markus Kurth / Sarah Mönkeberg Konviviales Leben mit Haustieren? Eine empirische Spurensuche
Tamara Nili-Freudenschuß Das Zusammenleben von Mensch und Tier im Islam
Ästhetik und Ethik der Kontaktaufnahme
Matthias Lewy / Helena Simonett Das Dilemma der Modernen Mensch-Vogel-Beziehung akustisch
Elisabeth Luggauer Aus der Perspektive eines lutalice. Imaginationen städtischer Multispezies-Konvivialitäten
Susanne Karr Nicht mehr „still wie eine Zündschnur“. Überlegungen zu Laura Jean McKays The Animals in That Country
Künstlerische Positionen
L. A. Watson The Roadside Memorial Project, seit 2013
Semâ Bekirović For the Birds, 2020
Lee Deigaard Quarantine Drawings, 17. März–19. Mai 2020
Rezensionen
Abbildungsverzeichnis
Call for Papers: Tiere und Geschlecht