Von Herrchen, Frauchen und anderen Tierchen
In diesem Band von Tierstudien geht es um die verschiedenen Ebenen der vergeschlechtlichten Beziehung von Menschen zu anderen Tieren, aber auch anderer Tiere untereinander. Die Autor:innen untersuchen, inwieweit sich Konzepte der Gender-Theorie eignen, um die Performativität von Geschlecht in tierlichen und tierbezogenen Praktiken, die diese als männliche und weibliche Aktivitäten darstellen, herauszuarbeiten. Ein Aspekt, der befragt wird, ist, inwiefern Tiere nicht nur ein Geschlecht, sondern auch gender haben, das in diesen Praktiken ebenfalls hergestellt wird.
Geschlecht im Sinne von sex bestimmt häufig darüber, welchen Tieren Menschen erlauben, sich fortzupflanzen. Das ganze Feld der Tierzucht basiert auf der vergeschlechtlichten Zuchtwahl: Haustiere werden kastriert oder sterilisiert, mit Hormonvergabe wird die Fortpflanzungsfähigkeit von Nutztieren gefördert, Verhütungsmittel werden in Taubenfutter gemischt und männliche Küken geschreddert.
Gender hingegen bestimmt den sozialen Ort von Gruppen und Individuen – und dazu gehören auch Tiere. Zwar handelt es sich nicht selten um Projektionen menschlicher Vorstellungen auf die Tierwelt, doch nimmt man kulturelle Ko-Produktion und Ko-Evolution ernst, muss angenommen werden, dass diese Projektionen zu Praktiken geführt haben, die sich in die Körper und die Kultur der Tiere eingeschrieben haben.
Zu den Themen des Bandes zählen Animal Drag, Zoosexualität, tierliche Homosexualität, hegemoniale Männlichkeit in der Mensch-Tier-Beziehung und die Pferdeliebe von Mädchen. Auch Geschlechterkonstellationen und vergeschlechtliche Mensch-Tier-Verhältnisse in der Falknerei, der Hundehaltung, der Schweinezucht und im Zibetkatzenhandel kommen zur Sprache. Neben Hühnern und Fischen werden zudem u.a. auch Bulldoggen und Löwinnen in den Blick genommen.
Editorial
Historische Konstellationen: Geschlecht als Transformation
Sarah-Maria Schober Sexing Kapital. Männliche und weibliche Zibetkatzen und andere Spezies im 17. Jahrhundert
Nadir Weber Von Fürstinnen und Terzeln. Geschlechterkonstellationen in der höfischen Falknerei
Philine Helas Christine de Pizan – Dichterin mit Hund
Von Tieren lernen: Geschlecht als Sozialisation
Aline Vogt Tierliches Erlernen und Verweigern von Geschlecht. Eine Annäherung aus geschlechtergeschichtlicher Perspektive
Annette Schnabel / Alexandra König Von Mädchen und Pferden. Die Zeitschrift Wendy als Imaginatorium für ein besonderes, vergeschlechtlichtes Tier-Mensch-Verhältnis
Queering, Queerness, Mimikry: Geschlecht als Anpassung
Christiane Keim / Astrid Silvia Schönhagen Queering Bulldogs. Damenimitatoren und hundlich-menschliche (Selbst-)Inszenierung im Berlin der Weimarer Republik
Max Böhner Hysterische Hühner? Das Huhn in Kunst und Film zwischen Stereotypen und Queerness
Johannes Müller Fische und ihr Wachstum im Klimawandel. Eine Debatte um Geschlecht und Gender?
Gegen die Natur? Geschlecht existenzialistisch
Volker Sommer Gleich und gleich verpaart sich gern. Homosexuelle Kontakte unter Tieren
Julia Kaiser Gesellschaftlich etablierte Normalitäten und Geschlechterkonstruktionen im gegenwärtigen Diskurs um Zoosexualität
Maja Martha Ploch Von Fleischeslust und Totempfählen. Speziesübergreifende Homosozialität in Erlend Loes Doppler (2004)
Künstlerische Positionen
Victoria Windtner (don’t) move mama pig, 2022
Lin May Saeed Kürfürstenstraße, 2005 Zenon im Boot, 2005
Soya the Cow Künstlerischer Aktivismus als Drag Kuh, seit 2018
SK Symbiotic We Architectures, 2017–2023
Martin Steinfeld Schwuler Pinguin, 2023 Lesbische Möwe, 2023
Rezensionen Abbildungsverzeichnis Call for Papers: Arbeit