In den letzten Jahren werden – u.a. angestoßen durch transhumanistische Diskurse und einschlägige Publikationen wie Insect Media (Jussi Parikka) oder Das Internet der Tiere (Alexander Pschera) – Tiere und Medien zunehmend auf produktive Weise zusammengedacht. Tiere sind dabei nicht auf die Rolle eines kulturwissenschaftlich beschreibbaren Motivs beschränkt, sondern sie treten in vielfältiger Weise als Mediennutzer in Erscheinung – etwa in der Animal Computer Interaction, die sich zunehmend als eigene Disziplin gegenüber der Human Computer Interaction positioniert. Medien schaffen eine neue Form der Verbindung zu Tieren und können teilweise sogar für die Tiere selbst von Nutzen sein.
In dieser Ausgabe von Tierstudien wird deshalb der Animal Turn in den Medienwissenschaften beleuchtet und an konkreten Fallbeispielen aus anderen Fachgebieten gezeigt, auf welche Weise und zu welchem Zweck Tiere als Medien bzw. (Ver-)Mittler fungieren oder eingesetzt werden (können). Beiträger*innen u.a. aus der Philosophie, Geschichtswissenschaft, Literatur- und Kulturwissenschaft, aber auch aus Design, Kunst und Computertechnologie analysieren, wie Tiere im Umgang oder im Verbund mit Medien eine spezifische Agency entfalten und welche Rolle diese Agency für gängige Differenzziehungen zwischen den Arten spielt.
Wenn Tieren, Menschen und Technik untrennbar miteinander gekoppelt werden, verändert sich nicht nur das Verständnis von Sozialität und Agency, sondern auch die Dominanz des Anthropozentrismus erfährt durch den Blick auf die technisch-mediale Verfasstheit von Tieren und ihr Eingebundensein in sozio-technische Assemblagen eine Einschränkung.
Inhalt
Editorial
Historische Tiermedien
Silke Förschler Medium der Verlebendigung. Tierdarstellungen auf Pergament
Matthias Preuss Der Nährwert des Archivs. Tieraktivitäten in ausgedehnten Medien
Tiere als Medien
Sebastian Vehlken Atomic Animals. Tiere als Medien nuklearer Forschung
Jens Hauser Geformt vom Milieu: Frösche als Medien
Medialisierte Tiere in Literatur, Film und Computerspiel
Martin Bartelmus Eye-Shine und Stroboskop-Effekt. Gequälte Tiere als Medien in Hugo von Hofmannsthals Dämmerung und nächtliches Gewitter
Katharina Alsen Das Parasitäre als ästhetisches Prinzip. Eine materielle Betrachtung von Insekten in Parasite (2019)
Pascal Marcel Dreier / Thomas Hawranke Capturing the Wild. Virtuelle Pferde im Computerspiel Red Dead Redemption 2
Mediales Enrichment für Tiere
Fiona French / Clara Mancini / Helen Sharp Eine Elefantenperspektive
Reinhard Gupfinger / Martin Kaltenbrunner Über die Gestaltung von Musikinstrumenten für Graupapageien
Emotionale Beziehungen von Menschen zu domestizierten Tieren in den Medien und durch Medien
Philipp Hagemann / Steffen Kreißl / Paul Reinke / Alexander Wagner „[…] eine Sammelstelle für Tierseelenkunde“. Wie eine Wissenschaftszeitschrift um 1900 die Mensch/Tier-Grenze neu zu ordnen versucht
Friederike Zenker Bilder der Fürsorge. Visionen und Brüche in den Mensch-Tier-Beziehungen
Ina Bolinski „Schon mal mit ner Kuh gechattet?“ Zum Sensorjournalismus in der Mensch-Tier-Technik-Beziehung
Künstlerische Positionen
Verena Meis in Kooperation mit dem Aquazoo Löbbecke Museum Düsseldorf Übertragungsarten und -raten des Wassers, 2020
Doo-Sung Yoo Aqua001.c02: Robotic Pig Heart–Jellyfish, 2009
Rezensionen Abbildungsverzeichnis Call for Papers: Extinction. Das große Sterben