Es scheint selbstverständlich, dass es sich beim Konsumieren um eine vom Produzieren unterscheidbare Tätigkeit handelt und daher Konsument/in und Produzent/in konträre soziale Rollen einnehmen. Seit der Etablierung der bürgerlichen Gesellschafts- und Geschlechterordnung im 18./19. Jahrhundert sind zahlreiche Bemühungen zu beobachten, eine Sphäre der (männlichen) Produktion und Erwerbsarbeit von der des (weiblichen) Konsums und der Hausarbeit zu trennen. Als Mittler fungiert der Markt: Wer für die Anfertigung einer Ware bezahlt wird, produziert, wer am Markt für diese bezahlt, konsumiert.
Wo aber berühren bzw. überlappen sich Sphären, Netzwerke und Logiken der Produktion und des Konsums? Welche ergänzenden und alternativen Möglichkeiten des Herstellens, Ge- und Verbrauchens von Dingen finden sich in Geschichte und Gegenwart? So liegt etwa das „Selbermachen“, das Do-it-yourself quer zur Trennung von Produktion und Konsum. Neben dem Markt und damit dem Konsumieren kennen auch moderne Gesellschaften u.a. staatliche, genossenschaftliche und gemeinschaftliche Versorgungsweisen. Sozialwissenschaften und Marketingforschung beobachten eine wachsende Tendenz von Unternehmen, Konsument/innen an der Herstellung (mit-)‚arbeiten‘ zu lassen und sie für Entwicklung, Produktion und Distribution als Prosumer/innen zu aktivieren. Solchen Veränderungen sowie der Frage ihrer Bewertung und historischen Einordnung widmet sich der vorliegende ÖZG-Band.
Herausgeber/innen dieses Bands: Franz X. Eder, Mario Keller, Oliver Kühschelm, Brigitta Schmidt-Lauber
7Oliver Kühschelmeditorial: produzieren/konsumieren – prosumieren/konduzieren
20Silvia Rief Jenseits der Trennung von Produktion und Konsum: Begriffliche Konzepte zur Analyseder gesellschaftlichen Institutionalisierung von Versorgungsweisen und Versorgungsprozessen
52Reinhild Kreis„Man nehme …“. Haushaltsproduktion als Prosumption und als Markt in der deutschenKonsumgesellschaft des 20. Jahrhunderts
72Jonathan VogesDer Prosumer als Kunde. Bau- und Heimwerkermärkte als Anbieter von „Problemlösungen“
92Gerulf HirtVom Luxus zum Risiko: Produktions- und Konsumationssphären der Zigarette in (West-)Deutschland
124Georg StögerZwischen Konsumieren und Produzieren: Dinge und ihre Nutzer/innen im 18. Jahrhundert
144Aris KafantogiasBetween the Visible and the Invisible, the Practical and Ornamental: The Body Linen of the Viennese, 1760–1823
Open Space
168Mario KellerDie Emotionalisierung regionaler/nationaler Marken im TV-Werbespot. Eine exemplarische Analyse der Anker-„Länderbackstuben“ (1996)
181Stefan F. OssmannPolyamorie in der deutschsprachigen Presse 2007–2017. Bericht über eine medienanalytische Untersuchung zu einem sich etablierenden Beziehungsmodell
192Martin WieserVon der „Erziehung statt Strafe“ zur „Stählung des Charakters“: Psychotechnik und Erbbiologie in den österreichischen „Bundesanstalten für Erziehungsbedürftige“, 1929–1945