AUFSÄTZE
Thomas FrellerMilitärische Strategie und christliche Propaganda. Der Krieg um Kandia (1645 bis 1669) und der Padre Ottomano
Im Zuge der erst in den letzten Jahrzehnten auf solide wissenschaftliche Grundlage gestellten Forschungen zum Wesen der Konvertiten und Renegaten geriet auch Osman, später »Padre Ottomano« genannt, – ein angeblicher Sohn von Sultan Ibrahim I. – wieder in das Blickfeld internationaler Aufmerksamkeit. Dabei wurden vor allem seine Gefangennahme durch die Malteserritter im September 1644, der damit geschaffene Vorwand des osmanischen Angriffs auf das damals venezianisch besetzte Kreta und seine folgende Karriere im Dominikanerorden im Kontext des geistigen Klimas der Gegenreformation diskutiert. Die aktive Einbeziehung des Padre Ottomano in militärstrategische Konzepte zu einem Entsatz der von den Osmanen belagerten Hauptstadt Kretas, das damals venezianische Kandia (Candia/Kandiye), sowie seine Tätigkeiten als agent provocateur zur Aufwiegelung der Bevölkerung Griechenlands und des Balkans und damit zur Errichtung einer zweiten Front wurden bisher nicht untersucht. Der vorliegende Beitrag versucht, dieses Desiderat der Forschungen zur Militärgeschichte des Mittelmeers – und durch die Teilnahme bayerischer, braunschweigischer, niedersächsischer und westfälischer Truppenverbände auch Deutschlands – anhand bisher nicht ausgewerteter Archivalien und mittlerweile erschienener Quelleneditionen zu schließen. Dabei wird auch das militärische Scheitern dieser Pläne um den Padre Ottomano im Kontext der englischen, niederländischen und französischen Handelsinteressen diskutiert.
In course of the increasing research in the last decades on renegades and converts, the figure of Osman, the so-called »Padre Ottomano« – the alleged son of Sultan Ibrahim I – has come into the focus of international interest. Scholars have discussed the events which led to his capture by the Knights of Malta in September 1644, the subsequent use of this capture as a pretext for the Ottoman assault on the island of Crete, as well as Osman’s future career in the Dominican Order. What has not been researched is his use as an important factor in a military strategy to relieve the besieged fortress town of Candia and his activities as an agent provocateur to open up a new front against the Ottomans in the Balkans and on the Greek mainland. This paper aims to fill this desideratum in the research of the military history of the Mediterranean on the basis of hitherto unconsulted archival material and new editions of primary sources. There will be also a discussion why Venetian, French, English, and Dutch trade interests finally led to the failure of the strategic schemes built around Padre Ottoman.
Christian GanzerGrenzenloses Heldentum revisited. Die »heldenhafte Verteidigung der Brester Festung« im Lichte von Wehrmachtakten und deutschen Egodokumenten
Die Kämpfe um die Brester Festung vom 22. bis 29. Juni 1941 gehören zu den weniger bekannten Ereignissen an der Ostfront während des Deutsch-Sowjetischen Krieges. In der Sowjetunion hingegen wurde die »heldenhafte Verteidigung der Brester Festung« als Schlüsselereignis dieses Krieges aufgefasst. Nach der offiziellen Version dauerte sie 32 Tage, gerieten nur wenige Rotarmisten in deutsche Gefangenschaft, alle kämpften bis zur letzten Patrone. Dies war die Grundlage, auf welcher der Festung der Titel »Heldenfestung« verliehen und eine monumentale Gedenkstätte eingerichtet wurde. In einer dichten Beschreibung zeichnet der Autor den Verlauf der Kampfhandlungen auf der Mikro-Ebene nach. Darüber hinaus wendet er sich kontroversen Fragen wie den Verlustzahlen beider Seiten sowie einigen populäreren Motiven des offiziellen Narrativs zu. Er kommt zu dem Schluss, dass das offizielle Narrativ dem Gewicht der Quellen kaum standzuhalten vermag
The battle for the Brest fortress (22.6. 29.6.1941) is one of the less known incidents on the eastern front of the German-Soviet war. In the Soviet Union the »heroic defence of the Brest fortress«, on the opposite, was depicted as a key-moment of this war. Officially it lasted 32 days, hardly any Soviet soldier would be captured, everybody fought until the last bullet. On this basis the Fortress was granted the title »Hero-Fortress« and a huge memorial was built on the site of the battles of June 1941. In a thick description the author reconstructs the course of the battle on a micro-level. Additionally he approaches central controversies like the numbers of losses of both sides and some of the most popular motifs of the official narrative. According to his conclusions the official narrative hardly can withstand the pressure of archival sources.
Gerhard WettigAufrüstung, Grenzschließung und Besatzungsstatus der DDR. Sowjetische Deutschland-Politik im Umbruch 1951 bis 1954
Stalins Entscheidung, die DDR in die östliche Aufrüstung einzubeziehen, hatte Folgen: Die Propagierung der deutschen Einheit als Alternative zur Westbindung verlor ihre Grundlage; die Grenze zur Bundesrepublik und zu Westberlin wurde abgeriegelt; die Sowjetisierung wurde rücksichtslos vorangetrieben. Gleichwohl firmierten die militärischen Verbände als »Kasernierte Volkspolizei«; es gab Nötigung, aber keine Wehrpflicht; die Grenze in Berlin blieb entgegen Ulbrichts Drängen offen. Viele entzogen sich dem verschärften Zwangsregime durch Flucht in den Westen. Stalins Nachfolger suchten das Problem durch Entlastung von Druck zu lösen. Der Bevölkerung wurde nicht mitgeteilt, dass es um die Konsolidierung des Systems, nicht um seine Veränderung ging. Das führte zum 17. Juni. Der Kreml reagierte mit Stabilisierungsmaßnahmen und bekräftigte die Zweistaatlichkeit durch Aufhebung des Besatzungsregimes in der DDR, nicht aber in Berlin. Zur neuen Leitparole wurde die Forderung nach Ersetzung der NATO durch ein System der kollektiven Sicherheit in Europa.
Stalin’s decision to make the GDR participate in Eastern armament, had a number of results. Communist advocacy of German unity lost persuasiveness; East Germany’s borders to the West were closed down, and Sovietization was recklessly enforced. But military units were officially termed police-in-barracks; while much pressure was used to make young people enlist, there was no conscription law; the border within Berlin continued to be open despite Ulbricht’s effort to the contrary. Many East Germans were thus enabled to leave for the West. Stalin’s successors sought to solve this problem by reducing pressure in the GDR. But people were not told that the underlying purpose was consolidation of the system. Spreading feeling that it might be dropped, resulted in the upheaval of 17 June 1953. The Kremlin responded by stabilizing measures, insisting on the two states situation in Germany, and terminating the occupation regime in the GDR. It also called for an all-European system of collective security to replace NATO.
FORSCHUNGSBERICHTE
Arnd BauerkämperReisen in die Vergangenheit. Westdeutsche Soldaten, Kriegsgräberfürsorge und »Schlachtfeldtourismus« von 1945 bis 1990 in transnationaler Perspektive
Jörg Echternkamp, Dieter H. Kollmer, Thorsten Loch, Ralf Vollmuth und Rüdiger WenzkeDeutsche Militärgeschichte von 1945 bis 1990 im internationalen Kontext. Bilanz und Perspektiven der Forschung
NACHRICHTEN AUS DER FORSCHUNG
Corinna Malek»Psychiatrie im Ersten Weltkrieg«. Tagung der Heimatpflege des Bezirks Schwaben, der Schwabenakademie Irsee und des Bildungswerks des Bayerischen Bezirketags, Kloster Irsee, 4. und 5. Februar 2016
Leonie Ziegler»Gibt es eine deutsch-deutsche Militärgeschichte als neuere Zeitgeschichte?« Workshop am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Potsdam, 9. März 2016
Jens-Peter Lange»Materialschlachten 1916. Ereignis, Bedeutung, Erinnerung.« 57. Internationale Tagung für Militärgeschichte (ITMG), Trier/Verdun, 18. bis 21. April 2016
BUCHBESPRECHUNGEN
Allgemeines
Reinhard Wendt, Vom Kolonialismus zur Globalisierung. Europa und die Welt seit 1500 Christian Koller
Christian Koller, Die Fremdenlegion. Kolonialismus, Söldnertum, Gewalt 1831 1962 Thomas Morlang
Jann M. Witt, Deutsche Marinegeschichte Leonie Hieck
Oliver Heyn, Das Militär des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen 1680 1806 Alexander Querengässer
Norman Polmar and Edward Whitman, Hunters and Killers, vol. 1: Anti-Submarine Warfare from 1776 to 1943 Axel Niestlé
Dieter Kürschner, Leipzig als Garnisonsstadt 1866 1945/49. Aus dem Nachlass. Hrsg. von Ulrich von Hehl und Sebastian Schaar Thomas Tippach
Ulrich Raulff, Das letzte Jahrhundert der Pferde. Geschichte einer Trennung Andreas R. Hofmann
Carl Duisberg (1861–1935). Briefe eines Industriellen. Bearb. und eingel. von Kordula Kühlem Michael Epkenhans
Stefan Deißler, Eigendynamische Bürgerkriege. Von der Persistenz und Endlichkeit innerstaatlicher Gewaltkonflikte Christian Koller
Altertum und Mittelalter
Robert Rollinger, Alexander und die großen Ströme. Die Flussüberquerungen im Lichte altorientalischer Pioniertechniken (Schwimmschläuche, Keleks und Pontonbrücken) Peter Kehne
Mathis Mager, Krisenerfahrung und Bewältigungsstrategien des Johanniterordens nach der Eroberung von Rhodos 1522 Mirjam Reitmayer
Frühe Neuzeit
Magnus Ressel, Zwischen Sklavenkassen und Türkenpässen. Nordeuropa und die Barbaresken in der Frühen Neuzeit Martin Rink
Gregory Hanlon, The Hero of Italy. Odoardo Farnese, Duke of Parma, his Soldiers, and his Subjects in the Thirty Years’ War Maximilian Krüger
›Princess Hedvig Sofia‹ and the Great Northern War. Ed. by Ralf Bleile and Joachim Krüger Von Degen, Segeln und Kanonen – Der Untergang der Prinzessin Hedvig Sofia. Hrsg. von Kirsten Baumann und Ralf Bleile Martin Meier
1789–1870
Frank Zielsdorf, Militärische Erinnerungskulturen in Preußen im 18. Jahrhundert. Akteure – Medien – Dynamiken Max Plassmann
Heinz Stübig, Mars und Minerva. Militär und Bildung in Deutschland seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert. Gesammelte Beiträge Thorsten Loch
Gerhard von Scharnhorst, Private und dienstliche Schriften, Bd 8: Tragischer Vollender (Preußen 1813). Hrsg. von Johannes Kunisch und Michael Sikora. Bearb. von Tilman Stieve Heinz Stübig
Tom Buk-Swienty, Dommedag Als. 29. juni 1864. Kampen for Danmarks eksistens, 2. udg. Johan Peter Noack, Da Danmark blev Danmark. Fortællinger af forhistorien til 1864 Martin Meier
1871–1918
Elke Hartmann, Die Reichweite des Staates. Wehrpflicht und moderne Staatlichkeit im Osmanischen Reich 1869–1910 Rolf Steininger
Klaus-Jürgen Bremm, Armeen unter Dampf. Die Eisenbahnen in der europäischen Kriegsgeschichte 1871 1918 Burkhard Köster
Katharina Rogge-Balke, Befehl und Ungehorsam. Kaiserliches Militär und wilhelminische Gesellschaft im satirischen Blick des Simplicissimus Christian Senne
The Naval Route to the Abyss. The Anglo-German Naval Race 1895–1914. Ed. by Matthew S. Seligmann, Frank Nägler and Michael Epkenhans Frank Ganseuer
The Purpose of the First World War. War Aims and Military Strategies. Hrsg. von Holger Afflerbach Bernd Jürgen Wendt
William Mulligan, The Great War for Peace Christian Koller
An der Front und hinter der Front. Der Erste Weltkrieg und seine Gefechtsfelder / Au front et à l’arrière. La Première Guerre mondiale et ses champs de bataille. Hrsg. von Rudolf Jaun [u.a.] Martin Moll
Alexander Watson, Ring of Steel. Germany and Austria-Hungary at War, 1914–1918 Peter Lieb
Holger H. Herwig, Marne 1914. Eine Schlacht, die die Welt veränderte? Martin Moll
Christian Jentzsch und Jann M. Witt, Der Seekrieg 1914–1918. Die Kaiserliche Marine im Ersten Weltkrieg Axel Niestlé
Hans Joachim Koerver, Krieg der Zahlen. Deutscher Ubootkrieg, britische Blockade, und Wilsons Amerika 1914 1919, Bd 1: Die Ära Tirpitz 1914 bis 1916 Axel Niestlé
Jörg Mückler, Deutsche Flugzeuge des Ersten Weltkrieges Denis Strohmeier
Helmut Jäger, Luftbilder auf der Karte finden. Luftaufnahmen aus dem Ersten Weltkrieg lokalisieren Harald Potempa
Paul Jankowski, Verdun. Die Jahrhundertschlacht Christian Stachelbeck
Gerd Krumeich und Antoine Prost, Verdun 1916. Die Schlacht und ihr Mythos aus deutsch-französischer Sicht Christian Stachelbeck
Gerhard Artl, Die »Strafexpedition«. Österreich-Ungarns Südtiroloffensive 1916 Werner Augustinovic
»Solange die Welt steht, ist soviel Blut nicht geflossen«. Feldpostbriefe badischer Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg 1914 bis 1918. Hrsg. vom Landesverein Badische Heimat e.V. und dem Landesverband Baden-Württemberg im Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. Ausgewählt, mitgeteilt und kommentiert von Marcel Kellner und Knud Neuhoff Thorsten Loch
Aleksandra V. Kaljakina, Pod ochranoj russkogo velikodušija. Voennoplennye Pervoj mirovoj vojny v Saratovskom Povol’že (1914–1922) Georg Wurzer
Phillip G. Pattee, At War in Distant Waters. British Colonial Defense in the Great War Christian Jentzsch
Paul Cornish, The First World War Galleries. Foreword by HRH The Duke of Cambridge 14 – Menschen – Krieg. Katalog und Essays zur Ausstellung zum Ersten Weltkrieg. Hrsg. von Gerhard Bauer, Gorch Pieken und Matthias Rogg Marcel Kellner
Der Erste Weltkrieg in 100 Objekten. Hrsg. von der Stiftung Deutsches Historisches Museum Daniel Hohrath
Dieter Storz, Der Große Krieg. 100 Objekte aus dem Bayerischen Armeemuseum Marcel Kellner
1919–1945
Sven Felix Kellerhoff, »Mein Kampf«. Die Karriere eines Buches Matthias Kessler, Eine Abrechnung. Die Wahrheit über Adolf Hitlers »Mein Kampf« Winfried Heinemann
Adam Tooze, The Deluge. The Great War and the Remaking of Global Order, 1916–1931 Benjamin Ziemann
At the Crossroads between Peace and War. The London Naval Conference of 1930. Ed. bei John H. Maurer and Christopher M. Bell Michael Epkenhans
Michael Grüttner, Das Dritte Reich 1933–1939 Hans-Erich Volkmann
Claudia Weber, Krieg der Täter. Die Massenerschießungen von Katyń Hans Hecker
Maren Röger, Kriegsbeziehungen. Intimität, Gewalt und Prostitution im besetzten Polen 1939 bis 1945 Andreas R. Hofmann
Thomas Casagrande, Südtiroler in der Waffen-SS. Vorbildliche Haltung, fanatische Überzeugung Christopher Theel
Florian Traussnig, Militärischer Widerstand von außen. Österreicher in US-Armee und Kriegsgeheimdienst im Zweiten Weltkrieg Winfried Heinemann
Peter Raina, A Daring Venture. Rudolf Hess and the Ill-Fated Peace Mission of 1941 Michael Peters
Georg Hoffmann, Fliegerlynchjustiz. Gewalt gegen abgeschossene alliierte Flugzeugbesatzungen 1943–1945 John Zimmermann
Johannes Tuchel, Die Todesurteile des Kammergerichts 1943 bis 1945. Eine Dokumentation Winfried Heinemann
Ralf Blank, »Bitter Ends«. Die letzten Monate des Zweiten Weltkriegs im Ruhrgebiet 1944/45 John Zimmermann
Veronika Diem, Die Freiheitsaktion Bayern. Ein Aufstand in der Endphase des NS-Regimes Harald Potempa
Alexander W. Hoerkens, Unter Nazis? Die NS-Ideologie in den abgehörten Gesprächen deutscher Kriegsgefangener von 1939–1945 Peter Lieb
Jane Chapman [et al.], Comics and the World Wars. A Cultural Record Michael F. Scholz
Kriegswichtig! Die Bücher der Luftkriegsakademie Berlin-Gatow. Katalog zur Ausstellung der Universitätsbibliothek der Technischen Universität Berlin vom 1. Oktober bis 14. November 2015. Hrsg. von Cornelia Briel, Regine Dehnel und Jürgen Ruby Gabriele Bosch
Nach 1945
Jeremy Black, The Cold War. A Military History Jost Dülffer
Verhört. Die Befragungen deutscher Generale und Offiziere durch die sowjetischen Geheimdienste 1945 1952. Hrsg. von Wassili S. Christoforow, Wladimir G. Makarow und Matthias Uhl Jens Ebert
Clemens Range, Kriegsgedient. Die Generale und Admirale der Bundeswehr Thorsten Loch
Dieter E. Kilian, Führungseliten. Generale und Admirale der Bundeswehr 1955–2015. Politische und Militärische Führung Thorsten Loch
Kristan Stoddart, Facing Down the Soviet Union. Britain, the USA, NATO and Nuclear Weapons, 1976–1983 Andreas Lutsch
Srdja Popovic und Matthew Miller, Protest! Wie man die Mächtigen das Fürchten lehrt Hans Hecker