Sehr geehrter Damen und Herren,
die neue Ausgabe der gesellschaftspolitischen Vierteljahresschrift vorgänge ist erschienen. Sie widmet sich der Erosion der Demokratie. Als vor zwanzig Jahren der Realsozialismus zusammenbrach, manifestierte sich darin eine Attraktivität des demokratischen Regimes westlicher Prägung. Dessen Implementierung in den vormaligen Ostblock-Staaten war Ausgangspunkt eines weltweiten Siegeszuges. Kaum einer ahnte, dass diese Globalisierung zwar dem ökonomischen Modell des Westens, keinesfalls aber im gleichen Maße dessen politischer Formation zum Durchbruch verhelfen sollte. Diese litt vielmehr sehr bald unter mit dieser Globalisierung einhergehenden Deformationen. Ihres nationalstaatlichen Gehäuses beraubt, riss die Legitimationskette demokratischer Willensbildung, eine zunehmende Komplexität und Ent-Politisierung der Entscheidungsprozesse untergrub die Bereitschaft zur Partizipation, ihre Resultate erwiesen sich oft genug als bloßer Nachvollzug von ökonomisch präformierten Sachzwängen. Politik- und Parteienverdrossenheit sind die Symptome dieses Krankheitsbildes der Demokratie. Sie kann nicht mehr auf bestehende sozial-moralische Ressourcen der Gesellschaft zurückgreifen und ist zugleich mit wachsenden Gestaltungs- anforderungen konfrontiert. Die Demokratie befindet sich in einem Prozess der Selbstveränderung, dessen möglicher Ausgang in diesem Heft der vorgänge beleuchtet werden soll. Eine Einführung in die Beiträge können Sie dem Editorial auf der Website der vorgänge entnehmen.
Ihr Dieter Rulff
INHALTSVERZEICHNIS
Dieter RulffEditorial (1)
Sandra SeubertWo findet Demokratie ihre Bürger? Ressourcen des Bürgerschaftlichen unter den Bedingungen der De-Nationalisierung (4)
Dirk JörkeWas kommt nach der Postdemokratie? (17)
Eike HennigTotgesagte leben lange Zum Aussagewert postdemokratischer Theorien. (26)
Claus LeggewieKlimaschutz erfordert Demokratiewandel (35)
Ingolfur BlühdornNachhaltigkeit und postdemokratische Wende Zum Wechselspiel von Demokratiekrise und Umweltkrise (44)
Reinhard HeilRadikale und plurale Demokratie (55)
Arthur BenzBlockiert durch Komplexität? Demokratie in Mehrebenensystemen föderaler und transnationaler Politik (64)
Claudia RitziGleich – gleicher – ungleich? Feministische Perspektiven auf die Krise der Demokratie (73)
Sascha KneipDie Verfassung der Demokratie Das Spannungsverhältnis von Rechtsstaatlichkeit und Souveränität (82)
Thomas MeyerGewöhnung an die Mediokratie? (92)
Otmar JungDirekte Demokratie in Deutschland Sieben häufig vorgebrachte Gegenargumente, von denen man sich verabschieden sollte (100)
Essay
Joachim Raschke Die Grünen zwischen Lagerbindung und Koalitionsoptionen (112)
Armin Pfahl-TraughberSind Antisemitismus und „Islamophobie“ vergleichbar? (123)
Konrad OttEtatistischer Sozialismus Zur Fiskalpolitik der Partei „Die Linke“ (135)
Autorinnen und Autoren (142)