Die neue Ausgabe der vorgänge widmet sich den Ambivalenzen der Partizipation. Kaum ein politischer Begriff hat in den letzten Jahrzehnten eine vergleichbare Karriere zu verzeichnen, wie die Partizipation. Einst von den Neuen Sozialen Bewegungen gegen einen Politikbetrieb erstritten, der dergleichen noch als ungebetene Einmischung in seine inneren Angelegenheiten begriff, wird sie mittlerweile von links bis rechts allseits begrüßt als Fortentwicklung der demokratischen Gesellschaft und als probates Mittel gegen die Sklerose des repräsentativen Systems.
Doch in dem Maße, wie sich die Partizipation etabliert, rücken auch ihre Ambivalenzen in den Blick. So verdeckt das „Mehr Demokratie“, mit dem für direkte Formen der Volksbeteiligung geworben wird, dass sie in einem legitimatorisch nicht unproblematischen Verhältnis zur repräsentativen Willensbildung stehen. Auch wird deutlich, dass die Erfolgschancen der Partizipation durchaus von dem sozialen Kapital des Engagierten abhängen. Und dieses ist nicht gleich verteilt. Offen ist auch, inwieweit das „Mehr Demokratie“ die Defizite der etablierten Repräsentation tatsächlich abbaut, die den Ruf danach einst haben laut werden lassen. Mit Blick auf die supranationalen Ebenen ließe sich eher von einer Kompensation sprechen und das Krankheitsbild „Postdemokratie“, das seit einigen Jahren diagnostiziert wird, zeugt zumindest von einer gewissen Resistenz des repräsentativen Systems gegen direktdemokratische Kuren. Dies soll nun kein Plädoyer gegen Partizipation sein, sondern die Analyse dieser Ambivalenzen soll den Blick öffnen für gangbare Pfade einer Demokratisierung der Demokratie.
INHALTSVERZEICHNIS
Editorial (1)
Thomas ZittelWie viel und welche Partizipation braucht die Demokratie? (4)
Hans MeyerDirektdemokratische Elemente auf Bundesebene sind machbar und sinnvoll (15)
Frank DeckerDie fehlgeleitete Debatte um den Volksentscheid auf Bundesebene (26)
Manfred GüllnerPlebiszite – eine Diktatur von Minderheiten? (35)
Sebastian BödekerDas uneingelöste Versprechen der Demokratie Zum Verhältnis von sozialer Ungleichheit und politischer Partizipation in der repräsentativen Demokratie (43)
Michael Th. GrevenDie Mitwirkung der Bürger an der europäischen Integration (53)
Beate Kohler-KochPerspektiven zivilgesellschaftlicher Partizipation in der EU (60)
Rudolf SteinbergDie Mitwirkung der Bürger an der Fortentwicklung der europäischen Integration (74)
Thomas WagnerEinbinden – legitimieren – dialogisieren Politische Mediation als soft-bonapartistische Befriedungsstrategie (84)
Essay
Michael Th. GrevenWar die Demokratie jemals modern? (92)
Markus LindenKein Ende der Demokratie Eine Einordnung und Kritik der Erosionsthese Michael Th. Grevens (101)
Kurt LenkAudiatur et altera pars Zur Grundintention des Politikwissenschaftlers Michael Th. Greven (115)
Armin Pfahl-TraughberBeschneidung zwischen Religionsfreiheit und körperlicher Unversehrtheit Ein Plädoyer für die individuelle Entscheidung der Betroffenen (124)
Autorinnen und Autoren (136)