Die neue Ausgabe der vorgänge widmet sich, quasi stellvertretend, der Frage: „Was will Europa?“ Denn obgleich es die Nachrichten dominiert, ist dieses Europa als politischer Akteur in den letzten Monaten kaum in Erscheinung getreten. Damit sind wir beim Kern einer Krise, die sich vordergründig in der Verschuldung einzelner Staaten und dem Unvermögen, eine gemeinsame Strategie zu deren Eindämmung zu finden, manifestiert. Das verweist auf das Gebrechen einer Währungs-Union, der es an einer finanz-, wirtschafts- und sozialpolitischen Entsprechung fehlt. Diese lässt sich wiederum nur realisieren durch eine gegenüber den Einzelinteressen der Nationalstaaten neutralen Exekutive, und sie lässt sich nur legitimieren durch die entsprechende Ausweitung parlamentarischer Befugnisse.
Doch so offensichtlich diese Perspektive ist, so schwierig gestaltet sich die Konkretion. Denn die komplexen Wechselbeziehungen zwischen Finanzkapitalinteressen und staatlichen Finanztransfers, Schuldenabbau und Staatssanierung, exekutivem Handeln und demokratischer Legitimation verweigern sich einer eindeutigen Einordnung auf der Richterskala europapolitischen Fortschritts. Das Leitbild Europa lässt sich nicht mehr allein aus der Vergangenheit begründen, soll es wieder Akzeptanz gewinnen muss der Blick sich vielmehr den Widrigkeiten der Ebene zuwenden. Dazu will diese Ausgabe der vorgänge einen Beitrag leisten.
INHALTSVERZEICHNIS
Anne FaberZwischen „Muddling Through“, „Doomsday“ und „Saut Qualitatif“ Europas Weg aus der Krise (4)
Fritz W. ScharpfDie Währungsunion ist das Problem (17)
Daniela SchwarzerDie EU zwischen Integrationszwängen und Legitimationsmängeln (25)
Konrad OttSolidarität in Europa und der „Fall Griechenland“ Ein Argument für einen ökologischen Marshallplan (34)
Andreas FisahnEuropa braucht einen neuen Gesellschaftsvertrag (48)
Arne HeiseDas Europäische Sozialmodell als Kollateralschaden der Euro-Krise (61)
Christa Randzio-PlathDie Krise als Chance nutzen (71)
Felix Butzlaff, Matthias MicusDer europapolitische Januskopf der Sozialdemokratie (78)
Ivan Krastev, Mark LeonardDas Gespenst eines multipolaren Europas (86)
Florian HartlebZwischen Europskeptizismus und nationalem Populismus Formationen des europäischen Rechtspopulismus (95)
Alexandra LindenthalErfolgsfaktoren der europäischen Klimaschutzpolitik (105)
Essay
Markus HolzingerKosmopolitische Weltordnung oder Demokratie? Fragen an Jürgen Habermas‘ Konzept einer Weltinnenpolitik ohne Weltregierung (113)
Klaus-Michael KodalleDas „hörende Herz“ Papst Benedikt XVI. vor dem Deutschen Bundestag (127)
Joachim PerelsDie Normierung der Verbrechen gegen die Menschlichkeit Zur Aktualität des Buches „Kriegsverbrecher vor Gericht“ von Fritz Bauer (136)
Autorinnen und Autoren (141)