Die friedliche Revolution in der DDR jährt sich zum zwanzigsten Mal und ist gleichwohl „Geschichte, die noch qualmt“; sie steht im Spannungsfeld gesellschaftlicher Aufarbeitung und wissenschaftlicher Auseinandersetzung. Ihre Deutung beruht nicht allein auf der Erkenntnis dessen was war und was wahr ist, darin fließen auch immer noch damaliges Erleben, politische Leidenschaften und parteipolitische Kalküle ein.
Die wieder aufflammende Debatte über den Unrechtscharakter der DDR zeigt, wie wenig an Einordnungen selbstverständlich geworden ist. Noch immer wird zwischen der Diktatur des Regimes und der Alltagserfahrung der ihm Unterworfenen ein Widerspruch gesehen, wird darum gestritten, welches die treibenden Faktoren der Revolution und der deutschen Einheit waren. Welche Rolle spielte die internationale Konstellation, welche der wirtschaftliche Niedergang der DDR, welche die Sklerose der Staats- und Parteiführung und welchen Anteil hatten die Opposition und die Ausreisewilligen? Was hat sich vom bürgerrechtlichen und zivilgesellschaftlichen Impuls jener Zeit erhalten und ist in die politische Kultur der Bundesrepublik eingegangen? Wie weit trägt die Totalitarismus-Theorie bei der Erklärung der Diktatur der DDR und bei deren Einordnung in die deutsche Geschichte? Was sollen die Nachkommenden aus der Geschichte der DDR lernen, wenn diese sich doch nicht wiederholen kann? Diesen und weiteren Fragen geht diese Ausgabe der vorgänge nach.
INHALTSVERZEICHNIS
Die verdrängte RevolutionEditorial (1) Ilko-Sascha Kowalczuk Die Revolution von 1989 Warum es vielen so schwer fällt, von ihr zu sprechen (4)
Erhart NeubertVom „Kern ihres Verderbens“ 1989 aus totalitarismustheoretischer Perspektive (14)
Bernd FaulenbachWas ist zwanzig Jahre danach zu feiern? Zur Bedeutung von 1989 in der deutschen Geschichte und Gegenwart (26)
Stefan WolleDas normale Leben SED-Herrschaft und Alltagswirklichkeit in der DDR (31)
Lothar ProbstDas verblichene Erbe der Bürgerbewegung (40)
Marcus Hawel Die verdrängte Erbschaft des Herbstes 89 Blick zurück mit und ohne Jürgen Habermas (48)
Hans MisselwitzEinheit in Freiheit oder Einheit durch Freiheit? (59)
Wolfgang TemplinBlick zurück, nicht nur im Zorn Vom Umgang mit dem Erbe der DDR (69)
Dieter Segert Der verspätete Widerstand Der Beitrag der Dienstklasse zum friedlichen Ende der Diktatur in der DDR (77)
Gabriele CamphausenFehlanzeige? Jugendliche und ihr Bild von der DDR (87)
Essay
Holger RogallVom Homo oeconomicus zum Homo cooperativus Zur Notwendigkeit einer Transformation der traditionellen Ökonomie (93)
Charles A. von Denkowski Vom Nutzen dramatisierender Bürgerrechtspolitik Antwort auf Christian Raths „Der Überwachungsstaat – eine bürgerrechtliche Projektion“ (106)
Franz Eder Der Bundestrojaner – ein notwendiges Übel? (114)
Eike HennigEmpörung – Wunschtraum – Realität Ein hessischer Blick auf das Wahljahr 2009 (123)
Rezensionen
Dieter RulffTotgesagte leben länger Christian Bommarius lobt die Stärke des Grundgesetzes und misstraut ihr zugleich (133)
Autorinnen und Autoren. (135)