landlos
In der bisherigen agrar- und landhistorischen Forschung standen bäuerliche Milieus, Landbesitz und LandbesitzerInnen stark im Vordergrund. Besitzende ländliche Gruppen, die ein reichhaltiges Quellenmaterial hervorbrachten, haben die Aufmerksamkeit der Forschung nahezu gänzlich absorbiert. Landarme und Landlose wurden weit weniger erforscht. Die Quellensituation ist hier spärlicher, wenngleich ihre Zahl in den meisten Ländern Europas während des 18. und 19. Jahrhunderts anstieg: unter anderem in den Kontexten protoindustrieller Produktion, des Sinkens von Löhnen, kleinteiliger und/oder auf Tagelohn basierender Landwirtschaftsstrukturen, von Agrarkrisen und Agrarreformen. Landlosigkeit kann mit Armut in Verbindung gebracht werden – zumal in jenen ländlichen Räumen, in denen sich Status und das soziale Gefüge insgesamt prioritär über Liegenschaftsbesitz definiert haben. Armut war und ist jedoch relativ. So basiert das Konzept dieses Themenheftes darauf, Landlosigkeit gerade nicht mit Armut gleichzusetzen. Vielmehr werden in vier Fallstudien zu europäischen Regionen im 16. bis 20. Jahrhundert gezielt die multiplen Handlungsspielräume und (Über-)Lebensstrategien ressourcenschwacher Bevölkerungsschichten ausgeleuchtet.
INHALT
7-18 Margareth Lanzinger, Clemens Zimmermann „Editorial“: Landlos – vom 16. bis zum frühen 20. Jahrhundert
19-37 Janine Maegraith „Landlessness“. Reviewing the early modern property structure in southern Tyrol
39-58 Jesús Manuel González Beltrán A life with limited options. Landless people in eighteenth century Andalusia (Spain)
59-78 Clemens Zimmermann Haushaltsökonomien von Landarmen und Landlosen. Ansätze zeitgenössischer Wirtschafts- und Sozialenquêten, 1860-1914
79-98 Jessica Richter Notbehelfe in Krisenzeiten. Lebensunterhalt und landwirtschaftlicher Dienst in Österreich (1918-1938)
Forum
99-104 Arne Butt, Stefan Brakensiek, Jonas Hübner Tagungsbericht „Doing Inequality – Praktiken der Ungleichheit in der ländlichen Gesellschaft des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit“. Jahrestagung der Gesellschaft für Agrargeschichte am 28. und 29. Juni 2019
105-111 Almut Schneider, Elisabeth Tauber Beziehungsgeflechte – ethnologische und historische Perspektiven auf Südtiroler Bergbauern
113-116 Daniel Schneider Mühlenwirtschaft und Kameralismus in Sayn-Altenkirchen
118-120 Abstracts
Rezensionen
Hans-Jürgen Philipp Das Hofgestüt Marbach (1491-1817) des Hauses Württemberg auf der Schwäbischen Alb (Dietrich Rieger)
Annie Antoine (Hg.) Agricultural Specialisation and Rural Patterns of Development (Werner Troßbach)
Wouter Ronsijn, Niccolò Mignemi, Laurent Herment (Hg.) Stocks, seasons and sales. Food supply, storage and markets in Europe and the New World, c. 1600-2000 (Clemens Zimmermann)
Rainer Stripf Honig für das Volk. Geschichte der Imkerei in Deutschland (Markus Lay)
Horst Gies Richard Walther Darré. Der „Reichsbauernführer“, die nationalsozialistische „Blut und Boden“-Ideologie und Hitlers Machtergreifung (Andreas Dornheim)
Bianca Roitsch Mehr als nur Zaungäste. Akteure im Umfeld der Lager Bergen-Belsen, Esterwegen und Moringen 1933-1960 (Daniel Mühlenfeld)
Werner Nell, Marc Weiland (Hg.) Dorf. Ein interdisziplinäres Handbuch (Clemens Zimmermann)
140-141 Verzeichnis und Anschriften der Autorinnen und Autoren