Historische Zeitschrift Heft 267/1 · 1998

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Historische Zeitschrift Heft 267/1 · 1998
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Erschienen
München 1998: Oldenbourg Verlag
Erscheint 
6mal jährlich, 3 Hefte ergeben einen Band

 

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Andreas Fahrmeir
Institution
Historisches Seminar der Johann Wolfgang Goethe-Universität
Abteilung
Redaktion Historische Zeitschrift (HZ)
Land
Deutschland
PLZ
60323
Ort
Frankfurt am Main
Straße
Norbert-Wollheim-Platz 1
Von
Jaroschka, Gabriele

Inhaltsverzeichnis

HZ 267/1 - INHALT

Rubrik: Aufsaetze
K.-J. Hoelkeskamp: Parteiungen und politische Willensbildung im demokratischen Athen: Perikles und Thukydides, Sohn des Melesias

Der Konflikt um das grosse Bauprogramm auf der Akropolis, der in den Quellen mit den Namen des Perikles und des Thukydides, Sohn des Melesias, verbunden wird, war keinesfalls ein Ausdruck tiefgehender, also die Grundlagen der Aussenpolitik und Strategie Athens oder gar die Verfassung betreffender Gegensaetze zwischen namhaften Gruppen oder "oligarchisch" bzw. "demokratisch" orientierten "Parteien". Erst die in der Schule des Aristoteles entwickelte Sichtweise, die die gesamte Ueberlieferung beeinflusst hat, liess diese Auseinandersetzungen in diesem Licht erscheinen. Politische Konflikte im Athen der Jahre um 450 wurden aber generell im Rahmen der konsolidierten, institutionellen und politischen Ordnung der Demokratie ausgetragen, die als solche zu dieser Zeit gar nicht strittig war und erst deutlich spaeter politisch und dann auch ideologisch und theoretisch in Frage gestellt wurde. Die politische Kultur Athens liess die Bildung von Gruppierungen mit eigener, womoeglich ideologisch fundierter Identitaet gar nicht zu, sondern war durch die zentrale Rolle der Volksversammlung und der in ihr als Redner agierenden Politiker als "Demagogen" gepraegt.

M. North: Kunst und buergerliche Repraesentation in der Fruehen Neuzeit

Der Aufsatz untersucht verschiedene Ebenen der buergerlichen Repraesentation in Oberitalien, Oberdeutschland und den Niederlanden sowie die verschiedenen Rollen, die Kunstwerke dabei spielten. Waehrend Gemaelde sich bei der oeffentlichen Repraesentation der Rathaeuser mit der Architektur zu einer geschlossenen Bildaussage verbanden, waren Kunstwerke im buergerlichen Haushalt multifunktional: sie stellten zugleich ein religioeses Objekt, einen Einrichtungsgegenstand sowie ein kulturelles und soziales Zeugnis dar. Welche Funktionen dabei im Vordergrund standen, hing ebenso von der Sammlerpersoenlichkeit und ihrem sozialen Umfeld ab wie von der historischen Epoche, in der der Sammler lebte. So stellen die Antiquitaeten fuer die Humanisten in erster Linie Studienobjekte dar, die erst in den Sammlungen der Oberschichten repraesentativen Charakter erzielten. Allein das Streben nach fuerstlichem Prestige oder der Wunsch, sich unter den deutschen Fuersten als Sammler im gesellschaftlichen Wettbewerb des Hochadels zu profilieren, muendete dann in die Gruendung fuerstlicher Antikensammlungen, wie z.B. des Muenchner Antiquariums. Humanistische buergerliche Sammlungen wurden zum Vorbild selbst aristokratischer Sammlungen in ganz Europa. Auch das Gemaelde erfuhr einen Funktions- und Bedeutungswandel auf dem Wege von den italienischen Stadtstaaten bis in die niederlaendische Republik. Waehrend in der Sammlerwelt der Renaissance das Bild gerade aufgrund seiner vielfaeltigen Bedeutungen und erstmals auch als autonomes Kunstwerk geschaetzt wurde, spielte in Oberdeutschland vor allem die kulturelle und soziale Aussage eine Rolle. In den Niederlanden gewann das Bild als Einrichtungsgegenstand eine in Europa bisher nicht mehr erreichte Bedeutung. Mit den neuen Funktionen des Bildes aenderte sich auch die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der Kunst. In der Gueterwelt der Renaissance und des "Goldenen Zeitalters" wurde das reproduzierte Bild zum allgemein geschaetzten "Konsumgut", und das hat interessanterweise die kuenstlerische Inspiration nicht verhindert.

A. Daum: Naturwissenschaft und Oeffentlichkeit in der deutschen Gesellschaft. Zu den Anfaengen einer Populaerwissenschaft nach der Revolution von 1848.

Im Zusammenhang einer breiten kommunikativen Mobilisierung und des Aufbruchs der modernen, empirisch-physiologischen Naturwissenschaften entwickelten sich nach 1848 in Deutschland vielfaeltige Aktivitaeten, naturwissenschaftliche Bildung in der buergerlichen Oeffentlichkeit zu verbreiten. Die neuen Bildungsbestrebungen wurden vor allem von Kreisen der buergerlichen Reformbewegung von 1848 getragen. Sie boten in der Reaktionszeit eine Ersatzoeffentlichkeit fuer Gesellschaftskritik und fanden in der freireligioesen Bewegung einen starken Rueckhalt. Als weltanschauliches Leitmotiv fungierte dabei die Kosmos-Vorstellung Alexander von Humboldts. Ein breit angelegtes Verstaendnis von historischer Wissenskultur sollte auch die Geschichte der Polulaerwissenschaft einbeziehen.
Rubrik: Neue historische Literatur

G. Dilcher: Max Webers Stadt und die historische Stadtforschung der Mediaevistik.

HZ 267/2 - INHALT
Rubrik: Aufsaetze
Hubertus Lutterbach: Gleichgeschlechtliches sexuelles Verhalten. Ein Tabu zwischen Spaetantike und Frueher Neuzeit?

Die religionsgeschichtlich angelegte Studie geht davon aus, dass es in der juedisch-christlichen Tradition bis in die Fruehe Neuzeit hinein keine Toleranz gegenueber gleichgeschlechtlichem sexuellen Verhalten gegeben hat. Allein die fuer diese Sicht massgeblichen Gruende unterlagen der Veraenderung: Entsprechend dem alttestamentlichen Heiligkeitsgesetz war die Abwertung der Sexualitaet im allgemeinen sowie des gleichgeschlechtlichen sexuellen Verhaltens im besonderen durch die Wertschaetzung der kultischen Reinheit begruendet; gleichgeschlechtliches Sexualverhalten galt als kultisch verunreinigend. Im Neuen Testament sowie in der Alten Kirche lag der Abwertung gleichgeschlechtlich praktizierter Sexualitaet ein akzentuiert ethisches Verstaendnis der Unreinheit zugrunde, wohingegen sich das Verstaendnis gleichgeschlechtlichen sexuellen Verhaltens als kultischer Verunreinigung seit fruehmittelalterlicher Zeit wieder durchzusetzen vermochte. Im Hintergrund dieses Wandels an der Schwelle von der Spaetantike zum Fruehmittelalter stehen die sozialgeschichtlichen Veraenderungen, die mit dem Zusammenbruch des Imperium Romanum fuer den Westen zusammenhaengen. In diesem Zusammenhang vermochte das Verstaendnis gleichgeschlechtlichen sexuellen Verhaltens als 'sodomistisch' im Sinne von 'gemeinschaftsgefaehrdend' die mittelalterliche Ablehnung gleichgeschlechtlich praktizierter Sexualitaet zu verstaerken.

Andreas Gotzmann: Strukturen juedischer Gerichtsautonomie in den deutschen Staaten des 18. Jahrhunderts

Die Frage nach der Autonomie juedischer Gemeinden ist grundlegend fuer die Bewertung der Geschichte der Juden in Deutschland. Ihre Beantwortung ist sowohl fuer die Gesamtsicht der internen Entwicklung als auch fuer die Einschaetzung des Verhaeltnisses zur christlichen Umwelt unerlaesslich. Die vorliegende Studie befasst sich erstmals auf breiter Quellenbasis mit der Frage nach dem Ausmass, den besonderen Strukturen sowie nach der Entwicklung der juedischen Gerichtsautonomie. Diese stand im Zentrum der sozialen und ideologischen Konzepte des aschkenasischen Judentums. Die Antwort, welchen Entscheidungsfreiraum die juedischen Gemeinden mit ihren Vorstandsgremien und Rabbinatsgerichten besassen, weist daher ueber den Aspekt der externen Rechtsgewaehrung und damit der Bewertung juedischer Existenz hinaus auf die interne Sicht juedischer Kultur als ein am religioesen Recht orientiertes gesellschaftliches System. Die Entwicklung stellt sich keineswegs eindimensional und zielgerichtet dar. Waehrend die Rechtsbefugnisse mindestens seit dem 17. Jahrhundert reduziert waren und im wesentlichen auf religioese Angelegenheiten beschraenkt blieben, fuehrt die Einbeziehung der juedischen Gemeinden in die spaetabsolutistische Politik des 18. Jahrhunderts zu einem deutlichen Anstieg des rechtlichen Handlungsspielraums. Auch wenn es kaum zu einer unbeschraenkten Autonomie sowohl in religioesen als auch in buergerlichen Angelegenheiten kam, wurde die Gerichtsbarkeit in der Mehrzahl der anderen Herrschaftsgebiete doch deutlich ausgeweitet. Insgesamt blieb es auf eine erstinstanzliche Gerichtsbarkeit begrenzt, die jedoch die grosse Mehrzahl interner Rechtsstreitigkeiten umfasste. Aufgrund der Staerkung interner Verwaltungsstrukturen wurde zum ersten Mal seit dem Mittelalter wieder das Ideal einer am Juedischen Recht orientierten Organisation der Gemeinschaft in nahezu allen Lebensphaeren annaehernd realisiert.

Benjamin Ziemann: Republikanische Kriegserinnerungen in einer polarisierten Oeffentlichkeit.

Das 1924 gegruendete Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold war als Veteranenverband des sozialistischen Arbeitermilieus in der Lage, wesentliche Erfahrungen derjenigen sozialdemokratischen Arbeiter auszudeuten und symbolisch darzustellen, die Kriegsteilnehmer des Ersten Weltkrieges gewesen waren. Dies geschah jedoch mit den Deutungsmustern und damit in den Grenzen der bereits im Kaiserreich ausgebildeten Subkultur des sozialdemokratischen Arbeitermilieus. In dem die Weimarer Republik polarisierenden Streit um das authentische 'Erbe' der Front trat das Reichsbanner durch die Kritik nationalistischer Kriegsmythen hervor. Durch das Beharren auf der historisch-empirischen 'Wahrheit' als einem die Mythen desavouierenden Kriterium verfehlte das Reichsbanner jedoch den eigentuemlichen Charakter politischer Mythen im Rahmen der symbolischen Politik, naemlich als emotional wirksame "Sinngeneratoren zu fungieren".

HZ 267/3 - INHALT

Rubrik: Aufsaetze
Wolfgang Schmid: Brunnen und Gemeinschaften im Mittelalter

Neben den Muehlen zaehlen die Brunnen zu den wichtigsten "Maschinen" vorindustrieller Zeiten. Ihre Erforschung muss sowohl die technikgeschichtlichen als auch die zahlreichen kirchen- und froemmigkeitsgeschichtlichen und nicht zuletzt auch die kunst- und kulturgeschichtlichen Aspekte des Themas beruecksichtigen. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Frage nach der sozialgeschichtlichen Dimension von Brunnen, nach ihrer Bedeutung zur Stiftung und Bewahrung von Gemeinschaften im Mittelalter. Untersucht werden zunaechst geistliche Kommunitaeten des hohen Mittelalters und dann anhand der guenstigen Quellenlage die Lage in der Stadt des spaeten Mittelalters; hier sind neben privaten und staedtischen Brunnen insbesondere die nachbarschaftlichen Brunnengemeinschaften von Interesse. Eine wichtige Gemeinsamkeit von Brunnen in Kloestern und Staedten ist die Tatsache, dass sie nicht nur praktische Aufgaben der Foerderung, Bewahrung und Verteilung von Wasser erfuellten, sondern auch einen der wichtigsten Bildtraeger des Mittelalters und der Renaissance darstellten. Den Abschluss der Studie bildet ein kurzer Ausblick ueber die weitere Entwicklung bis zum 19.Jahrhundert und zur Rolle der Wasserversorgung im "Prozess der Zivilisation".

Thomas Fuchs: Protestantische Heiligen-memoria im 16.Jahrhundert

Der Aufsatz rekonstruiert zwei Formen der historischen Legitimierung der aus der reformatorischen Bewegung hervorgegangenen Gemeinschaften gegen den Vorwurf der Altglaeubigen, vom alten und wahren Glauben abgewichen zu sein. Dieser Polemik setzten lutherische wie auch reformierte Autoren zwei Geschichtskonzepte entgegen, die mit den Begriffen 'Gegengeschichte' und 'Eigengeschichte' bezeichnet und gedeutet werden koennen. Mit dem ersten Konzept behaupteten die Neuglaeubigen eine wahrhaft christliche, dem apostolischen Ideal verpflichtete Gegenkirche in der Geschichte, die von der Papstkirche unterdrueckt worden sei. Die Geschichte dieser wahren Kirche manifestierte sich in den Maertyrern des wahren Glaubens, die im christlichen Abendland von den Paepsten verfolgt worden seien. In dem zweiten Konzept versuchten die Autoren protestantischer Heiligenkalender, die Geschichte der Kirche als ihre eigenen Geschichte zu vereinnahmen. Diese protestantische Eigengeschichte saeuberte die Heiligentradition nach bestimmten theologischen Grundsaetzen und stellte sie als zur eigenen Vergangenheit gehoerend dar.

Konrad Repgen: Der Westfaelische Friede: Ereignis und Erinnerung

Die einzigartige Komplexitaet der Westfaelische Friedensverhandlungen, Verbindung eines Grossmaechte-Kongresses mit einem Quasi-Reichstag, erklaert sich aus der Entstehungsgeschichte. Nach einer Uebersicht ueber die Arbeitsweise und Ergebnisse wird die Vermittlung der drei Vertraege von 1648 an die Zeitgenossen beschrieben und die geschichtliche Erinnerung an die Friedensschluesse mit Frankreich und Schweden im Alten Reich, in der nationalstaatlichen Perspektive des 19.Jahrhunderts bis 1945 und mit einem Ausblick auf 1998 skizziert.
Rubrik: Neue historische Literatur

J. Paulmann: Internationaler Vergleich und inkultureller Transfer. Zwei Forschungsansaetze zur europaeischen Geschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts.
Die Historische Zeitschrift erscheint in 6 Heften pro Jahr (2 Baende). Abonnenten der HZ erhalten Beihefte und die Sonderhefte der HZ sowie die Historische Bibliographie zum ca. 20% ermaessigten Preis.

Die Historische Zeitschrift ist durch die Gesamtregister 1859-1992 bestens erschlossen. Die Jahrgaenge 1990-1995 sind auch auf CD-ROM verfuegbar und werden jaehrlich um den neuesten Jahrgang der HISTORISCHEN BIBLIOGRAPHIE ergaenzt (Preis im Abonnement: ca. DM 78,-).
Jahresabonnement 1998 (2 Baende): DM 486,-
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