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Lilija Schevcova Garantiert ohne Garantie Rußland unter Putin 3
Boris Dubin Simulierte Macht und zeremonielle Politik Elemente der politischen Kultur in Rußland 19
Azär Babayev Demokratie-Test nicht bestanden Parlamentswahlen in Azerbajdžan 2005 33
Norbert Baas Vertrauen bilden, Stabilität schaffen Die Vereinten Nationen und der georgisch-abchasische Konflikt 45
Karin Bachmann „Reform-Tiger“ Slowakei. Ein Vorbild für andere Staaten? 55
Ulrich Hofmeister Kolonialmacht Sowjetunion Ein Rückblick auf den Fall Uzbekistan 69
José M. Faraldo Ad marginem Osteuropaforschung in Spanien 95
Petra Huber Verrat oder Vermittlung? Iosif Brodskij / Joseph Brodsky als Doppelspion der Kultur 105
Karlheinz Kasper „Mit den Modellen des Weltalls wedelnd…“ Russische Literatur in deutschen Übersetzungen 2005 121
Lilija Schevcova Garantiert ohne Garantie Rußland unter Putin Die politische Entwicklung Rußlands folgt einer ebenso paradoxen wie furchteinflößenden Logik. Die herrschende Klasse ist an der Stabilisierung der bestehenden Ordnung interessiert. Diese spezifische Ordnung kann jedoch nur gefestigt werden, wenn sie im Fluß ist. Die Unbestimmtheit ist ihr Wesen. Die herrschende Clique arbeitet mit Nachdruck an einem Staat, der nicht nur eine riesige Gefahr für die rußländische Gesellschaft darstellt, sondern ihr selbst außer Kontrolle geraten könnte. Doch gegenwärtig gibt es keine politische Kraft, die verhindern könnte, daß Rußland in einen Gesellschaftszerfall oder eine Diktatur abgleitet.
Boris Dubin Simulierte Macht und zeremonielle Politik Elemente der politischen Kultur in Rußland Seit Beginn der Putin-Ära inszenieren die staatlichen Medien in Rußland eine zeremonielle Politik, simulieren Machtfiguren und entwerfen Bedrohungsszenarien. Eine solche symbolische Politik soll Solidarität mobilisieren und die Nation zusammenschmieden. Doch kann sie nicht verdecken, daß die Männer an Rußlands Staatsspitze schwach und verantwortungslos sind, die Elite entweder dienstfertig oder gelähmt ist und die Bevölkerung in Angst verharrt.
Azär Babayev Demokratie-Test nicht bestanden Parlamentswahlen in Azerbajdžan 2005 Nach dem demokratischen Aufbruch in Georgien und der Ukraine knüpfte die azerbajdžanische Opposition an die Parlamentswahlen im November 2005 die Hoffnung, Ähnliches wie in Kiev und Tbilissi könne sich auch in Baku ereignen. Die Wahlen wurden von Beobachtern als die größte, aber für lange Jahre letzte Chance für die Demokratie in Azerbajdžan betrachtet. Doch sind alle Beteiligten durch den Demokratie-Test gefallen: die Wähler, die politische Elite und auch der Westen, der der Stabilität Vorrang vor der Demokratie gegeben hat.
Norbert Baas Vertrauen bilden, Stabilität schaffen Die Vereinten Nationen und der georgisch-abchasische Konflikt Der georgisch-abchasische Konflikt hinterließ tiefe Wunden in Georgien und in der Autonomen Republik Abchasien. Die internationale Gemeinschaft erkannte die Sezessionsbestrebungen Abchasiens nie an. Sie bekennt sich zur territorialen Integrität und Souveränität Georgiens in seinen anerkannten Grenzen. Unter der Ägide der Vereinten Nationen wird an einer Lösung des Konfliktes gearbeitet. Im Vordergrund stehen Vertrauensbildung und eine Rückkehr der georgischen Flüchtlinge und Vertriebenen nach Abchasien, vor allem in den Gali-Distrikt. Erst wenn es hier zu Fortschritten kommt, wird sich die Frage nach einer politischen Lösung einschließlich des Status Abchasiens stellen.
Karin Bachmann „Reform-Tiger“ Slowakei Ein Vorbild für andere Staaten? Das Bild der Slowakei hat sich in den vergangenen Jahren rasant gewandelt. War der junge ostmitteleuropäische Staat bis zur Ablösung des Meciar-Regimes im Jahre 1998 international nicht „hoffähig“, gilt er heute als Musterbeispiel für Reformfreude. Vor allem die Einführung eines einheitlichen Steuersatzes von 19 Prozent Anfang 2004 löst Bewunderung aus. Das Reformwerk beruht jedoch auf sehr spezifischen strukturellen Voraussetzungen und wird von politischer Instabilität bedroht.
Ulrich Hofmeister Kolonialmacht Sowjetunion Ein Rückblick auf den Fall Uzbekistan War die UdSSR eine Kolonialmacht? Das Beispiel Uzbekistan zeigt, daß alle Charakteristika des Kolonialismus auf die sowjetische Herrschaft in Zentralasien zutreffen. Substantielle Unterschiede zur Herrschaftspraxis der westeuropäischen Kolonialmächte erklären sich dadurch, daß die Sowjetmacht mit größerer Konsequenz versuchte, Uzbekistan in den Gesamtstaat zu integrieren. Langfristig reichten diese Bemühungen nicht aus, so daß auch die zentralasiatischen Republiken den Weg der Dekolonisation einschlugen.
José M. Faraldo Ad marginem Osteuropaforschung in Spanien Osteuropaforschung in Spanien haftet der Hauch des Exotischen an. Eine Beschäftigung mit Osteuropa war immer randständig. Unter Franco wurde sie aus politischen Gründen behindert. Dadurch fehlt, anders als in Deutschland, eine solide akademische und interdisziplinäre Tradition. Doch unterdessen haben die spanische Nationalismus-, Diktatur- und Transformationsforschung substantielle Beiträge vorgelegt, und das komparative Erkenntnisinteresse am Osten Europas wächst.
Petra Huber Verrat oder Vermittlung? Iosif Brodskij / Joseph Brodsky als Doppelspion der Kultur Der Lyriker und Übersetzer Iosif Brodskij verließ 1972 die Sowjetunion und wurde in den USA als Joseph Brodsky, Dichter, Essayist und Universitätsdozent „wiedergeboren“. Er verfaßte dort seine Gedichte weiterhin zumeist auf russisch, bei der Essayistik jedoch vollzog Brodskij einen Wechsel zur neuen, englischen Sprache. Zwei Texte aus unterschiedlichen Gattungen, zwischen denen nahezu die gesamte Zeitspanne von Brodskijs Exil liegt, zeigen Brodskij als ausgeprägten Grenzgänger zwischen den Kulturen, Sprachen und Gattungen. Gemein ist den beiden Texten die Thematik: Der Schriftsteller als Spion und potentieller Verräter der eigenen Kultur.
Karlheinz Kasper „Mit den Modellen des Weltalls wedelnd. . .“ Russische Literatur in deutschen Übersetzungen 2005 Die deutschen Übersetzer haben auch in diesem Jahr bei der Übertragung älterer und aktueller Werke russischer Autoren Außerordentliches geleistet. Neben Peter Urban sollen Ganna-Maria Braungardt, Annelore Nitschke, Alexander Nitzberg, Andreas Tretner, Dorothea Trottenberg und Birgit Veit genannt werden. Wieder boten kleine Verlage wie Dörlemann, Engeler, Kein & Aber, Pano, Persona und die Zeitschrift Schreibheft Preziosen an. Auffallend hoch blieb auch 2005 die Zahl der übersetzten Krimis.