Das Themenheft „Mythos Erinnerung. Russland und das Jahr 1812“ nimmt die Formen und Funktionen der Inszenierung einer „Erinnerung“ an die Schlacht von Borodino und den Sieg über Napoleon im Jahr 1812 in den Blick. Immer geht es darum, das kollektive Gedächtnis zu konstituieren, Herrschaft zu legitimieren und das Volk für den Kampf gegen äußere Feinde zu mobilisieren. Die Versuche reichen von den Napoleon-Karikaturen des Jahres 1812 über die seit Ende der 1820er Jahre geplante Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale, bei deren Einweihung 1882 Tschaikowskys „Ouverture 1812“ gespielt wurde, bis zur Eröffnung eines neuen „Museums des Vaterländischen Kriegs“ im Jahr 2012. Der Krieg gegen Napoleon ist in Russland allgegenwärtig, als sei er gerade erst zuende gegangen: Im Kanon der russischen Literatur und im Konditorei-Sortiment, in Putin-Reden und in Borodino-Reenactments, in Herrscher-Porträts und Medvedev-Witzen.
INHALT
Anna AnanievaKlaus Gestwa1812 in Russland und Europa Inszenierung, Mythen, Analyse – 3
Vadim ParsamovMythos und Ideologie 1812 und die Idee des „Volkskriegs“ – 15
Elisabeth Cheauré„Adler im Kopf, Schlangen im Herzen …“ Napoleon, Borodino und die russische Identität – 29
Elena VišlenkovaFeiger Feind, edles Volk Russische Karikaturen im Krieg von 1812 – 51
Regine Nohejl„Ruhm dir auf ewig, Borodino!“ Der Vaterländische Krieg in Russland 2012 – 61
Denis SdvižkovUnbequemes Gedächtnis Borodino und Leipzig – 75
Boris BelgeKanonendonner und Glockenklänge Petr Čajkovskijs Festouvertüre 1812 – 83
Christine Engel„Krieg und Frieden“ 1812 bei Tolstoj und bei Dornhelm – 93
_Konstantin Rapp Der „Vaterländische Krieg“ Das Jubiläum 1912 – 103
Igor’ ErmačenkoIm Prisma des Sieges Russisch-japanischer Krieg und Erster Weltkrieg – 119
Hans Hecker1812 – Napoleon in Russland Eine Literaturschau – 127
Karlheinz Kasper„Manuskripte brennen nicht“ Russische Literatur in Erst- und Neuübersetzungen 2012 – 135
Klaus SegbersFehlgedeutete Mängelliste Zur angeblichen Krise der Russlandexpertise – 171