Nach der Stabsübergabe an Russlands Staatsspitze setzen wir in einem erneuten Russland-Schwerpunkt die Analyse des Erbes der Putin-Ära fort. Dmitrij Furman sieht die Chance, dass Russland trotz organisiertem Stabswechsel im Kreml aus dem Teufelskreis der simulierten Demokratie ausbrechen könnte. Putins Verzicht auf eine weitere Amtszeit habe den Konstitutionalismus gestärkt, die Doppelspitze Putin-Medvedev bereite der Sakralisierung der Macht ein Ende und bringe Ansätze von Pluralismus zurück. Anders sieht das der Menschenrechtler Sergej Kovalev, der in einem offenen Brief den Zynismus der russländischen Machtelite anprangert. Roland Götz demonstriert, dass Russland die Aufgabe, die Einnahmen aus dem Öl- und Gasexport für den Aufbau einer zukunftsträchtigen Volkswirtschaft zu nutzen, noch nicht ernsthaft angegangen ist.
Außerhalb des Fokus spiegelt das Heft die Multidisziplinarität der Osteuropaforschung: Mischa Gabowitsch die Debatte über die Leistungsfähigkeit der russischen Soziologie fort, Iris Kempe beleuchtetdie internationalen Beziehungen im Ostseeraum, die Historikerin MiriamSprau beschäftigt sich mit dem sowjetischen Lagerkomplex Dalstroj, Stefan Auer macht eine tour d'horizon durch die west-östliche politische Philosophie und Laurynas Katkus begibt sich auf eine literarische Reise zur Memel.
INHALTSVERZEICHNIS
Dmitrij Furman | 3 Russland am Scheideweg Logik und Ende der „imitierten Demokratie“
Sergej Kovalev | 17 Offener Brief an Vladimir Putin
Roland Götz | 21 Wirtschaftsmacht Russland Das Öl, der Aufschwung und die Stabilität
Mischa Gabowitsch | 33 Wissenssoziologie statt Weihrauchschwenken Rezeptionshürden der Levada-Schule
Iris Kempe | 53 Die baltischen Staaten, Russland und die EU Regionale Konflikte als europäische Aufgabe
Mirjam Sprau | 65 Gold und Zwangsarbeit Der Lagerkomplex Dal’stroj
Stefan Auer | 81 Aussichten auf die Revolution Politisches Denken in West und Ost im 20. Jahrhundert
Laurynas Katkus | 91 Beiderseits des Stromes Literarische Repräsentationen der Memel