Der neue OSTEUROPA-Band „Die Moderne schreiben“ handelt von Utopie und Gewalt. 25 Autoren betrachten das revolutionäre Streben nach einer besseren Zukunft und die Massengewalt, mit der in der Sowjetunion der 1920er und 1930er Jahre Vergangenheit und Gegenwart zerstört wurden. Ihr Objektiv: Der Schriftsteller Andrej Platonov, einer der wichtigsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, der in eine Reihe mit Kafka und Joyce zu stellen ist und wie kein zweiter die Machbarkeit der Utopie seziert hat. Es geht um Enthusiasmus und Enttäuschung, um technologische Umbrüche und den neuen Menschen, um die Gewaltexzesse während der Industrialisierung, die Massenvertreibung und -vernichtung während der Kollektivierung sowie die Schikanen der Geheimpolizei. Die Autoren des Bandes betrachten Leben und Werk Platonovs, analysieren seine Romane und Erzählungen mit dem großen Instrumentenkasten der Literaturwissenschaft und gehen der Rezeption Platonovs ebenso nach wie der Inspiration, die er Filmemachern und Musikern gab. Im Zentrum steht die „Baugrube“ (Kotlovan), jenes Werk, in dem sich Platonovs Meisterschaft verdichtet und das seit Dezember 2016 in einer Neuübersetzung auf Deutsch vorliegt.
Inahlt
Editorial
Gewalt und Utopie S. 5
Andrej PlatonovÜber die Verbesserung des Klimas S. 7
Klaus GestwaModernisierung durch Mobilisierung Gewaltexzesse und technologische Umbrüche S. 11
Andrej PlatonovDie Brutstätte des Neuen Menschen S. 49
Stephan MerlStalins Irrweg der Kollektivierung Destruktive Kräfte und Lähmung der Initiative S. 55
Serhij ZhadanSchule der Grausamkeit S. 81
Mensch und Revolution
Andrej PlatonovDer Kampf gegen die Wüste S. 83
Hans GüntherLeiden an der Revolution Andrej Platonovs Leben und Werk S. 87
Andrej PlatonovDie Kultur des Proletariats S. 113
Sheila FitzpatrickEnthusiasmus und Enttäuschung Platonovs und I. Sac’ Blick auf die Revolution S. 123
Michail RyklinAuf den Flügeln der befreiten kollektiven Rede S. 147
Natal’ja KornienkoKontrolliert, schikaniert, ruiniert Andrej Platonov im Visier der Tscheka S. 149
Anne HartmannUnzeitgemäß und eigensinnig Platonovs Blick auf Zentralasien S. 165
Andrej PlatonovDie Elektrifizierung der Dörfer S. 191
Platonov: Das Werk
Vasilij GolovanovZu den Ruinen von Tschewengur Die Wiedergeburt Platonovs S. 195
Andrzej StasiukReise zur Wahrheit S. 215
Georg WitteArchaische Zukunftswesen Andrej Platonovs Werkzeugmenschen S. 217
Andrej PlatonovElektrifizierung S. 235
Valerij V’juginPlatonov lesen Philosophie der Sprache und Elemente der Poetik S. 243
Andrej PlatonovDie Literaturfabrik S. 259
Tatjana PetzerUtopie und Unsterblichkeit Der Tod bei Fedorov und Platonov S. 267
Evgenij JablokovAnfang und Ende Das Thema Erde bei Platonov S. 283
Andrej PlatonovDer Antisexus S. 297
In der Baugrube
Iosif BrodskijVorwort zu Andrej Platonovs Baugrube S. 307
Hans GüntherUtopie im Werden und Scheitern Die Baugrube und der Turmbau zu Babel S. 311
Andrej PlatonovGeheiligt werde Dein Name S. 317
Robert HodelKommunistisches und persönliches Glück Eine Spurensuche in Platonovs Baugrube S. 319
Sybille LewitscharoffVom Segen der Neuen Zeit S. 337
Natal’ja DužinaAbbild eines Zerrbilds Andrej Platonovs Baugrube S. 339
Christian Teichmann„So gräbt man Gräber, keine Häuser“ Stalins Infrastruktur in den Augen ihrer Erbauer S. 349
Andrej PlatonovProletarische Dichtung S. 363
Andreas GuskiNullwachstum in der Wüste Die Baugrube und der „Produktionsroman“ S. 369
Lola Debüser„Man hat Gewalt, so hat man Recht“ Platonovs Baugrube S. 381
Dževad KarahasanEin Heiliger der kommunistischen Revolution S. 393
Olʼga Meerson„Eichhain-Ahorn“ und Versöhnungsritual Christliche Subtexte in der Baugrube S. 395
Rezeption und Inspiration
Pier Paolo PasoliniUnvergessliche Poetik Andrej Platonovs Tschewengur S. 405
Ulrich SchmidScherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung Die schwierige Rezeption Platonovs S. 409
Julia KissinaEin Urphilosoph mit höckrigem Schädel S. 425
Lola Debüser, Christina Links„Von diesem Autor komm ich nicht mehr los“ Platonov, der Klassiker und die DDR-Edition S. 427
Gabriele LeupoldDas höchste Glück der Stimmung Die Baugrube übersetzen S. 441
Eugene OstashevskyDie gelebte Sprache der Revolution S. 453
Robert ChandlerDie Platane und die Steine Platonov übersetzen S. 455
Ilma RakusaEine peinture naïve des Kommunismus S.465
Anna KovalovaStummfilmpoetik Andrej Platonov und das Kino S. 467
Elena FanajlovaEin Luftzug zwischen Körper und Seele S. 487
Tatjana Frumkis„Wie ist das Rauschen voller Stille“ Platonov und die zeitgenössische Musik S. 489
Marion PoschmannDer nachtschwarze Band S. 511