Auch wenn die Vokabel „Imperialismus“ nicht mehr zum Grundwortschatz der politischen Gegenwart gehört, prägen imperiale Vergangenheiten auch heute noch den Alltag europäischer Gesellschaften. So lohnt es sich, mit der neuen Ausgabe des Mittelweg 36 (6/2013) einen Blick auf Entwicklungen zu werfen, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten die geschichtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit Aufstieg und Niedergang von Imperien gründlich verändert haben.
Ein instruktives Beispiel dazu liefert, wie Andreas Stucki im Editorial „Imperium in iberischer Perspektive“ ausführt, sowohl die spanische als auch die portugiesische Aufarbeitung imperialer Expansion. Auf vernachlässigte Kontinuitäten in der Geschichte des spanischen Imperiums, die über den Verlust der Kolonien jenseits des Atlantiks hinausweisen, macht der Historiker Francisco Javier Martínez Antonio in seinem Aufsatz „Vom Spanien in Übersee zum Spanien in Afrika“ aufmerksam.
Sein Kollege Ferrán Archilés präzisiert das Bild, indem er in seiner „Studie Maurische Exotik, imperialer Traum“ zeigt, wie bedeutsam kulturelle Konstruktionen imperialen Begehrens für die politisch-militärischen Praktiken des kolonialen Spaniens gewesen sind.
Schließlich dokumentiert der portugiesische Historiker Francisco Bethencourt eindrucksvoll, dass in Portugal die Literatur wie die bildenden Künste bereits vor der Nelkenrevolution zu einer „Dekonstruktion des imperialen Gedächtnisses“ beigetragen haben, die der portugiesischen Geschichtsschreibung ein Vorbild hätte sein sollen.
Außerdem gibt das Heft den Wortlaut der Rede wieder, die Jan Philipp Reemtsma anlässlich der 75. Wiederkehr des 9. November 1938 in der Frankfurter Paulskirche unter dem Titel „Ehrenvoller Auftrag! Ehrenvoller Auftrag!“ gehalten hat.