Es ist gerade einmal dreißig Jahre her, dass der britische Informatiker Timothy Berners-Lee und sein belgischer Kollege Robert Cailliau die technischen Grundlagen des World Wide Web entwickelten. Die von ihnen eingeläutete Digitale Revolution hat unsere Gesellschaften seither ebenso radikal wie nachhaltig verändert – und ein Ende ist nicht abzusehen. Die mit der Digitalisierung einhergehenden Transformationsprozesse wirken sich aber auch auf unser soziales Zusammenleben aus. Sie betreffen alle Bereiche des Öffentlichen und es Privaten und bringen laufend neue Praktiken hervor. Diese sind jedoch nicht nur von unseren Intentionen als Nutzerinnen geprägt, sondern auch von den Vorgaben der Programmiererinnen, Entwicklerinnen oder Produzentinnen, die mittels Algorithmen, Datenbanken oder Schlagworten mehr oder weniger unbemerkt unser Verhalten steuern. Was aber bedeutet es, wenn uns immer mehr Parameter unseres eigenen Denkens, Handelns und Urteilens gar nicht mehr transparent sind? Und welche Möglichkeiten haben wir, uns den Mechanismen der digitalen Hörigkeit zu entziehen?
In seiner Einleitung erläutert Hilmar Schäfer, vor welche Herausforderungen »Der Gebrauch des Digitalen« die Sozialwissenschaften stellt und skizziert unter Rekurs auf den aktuellen Forschungsstand, welche spezifischen Erkenntnisgewinne Beiträge »Zur praxeologischen Analyse digitaler Kultur« gegenüber anderen Ansätzen versprechen. Unter dem Titel »Me, My Selfie and I« präsentiert anschließend Moritz Plewa »Eine Genealogie digitalfotografischer Praktiken« und erörtert die kulturellen Auswirkungen, die mit der Einführung technischer Innovationen im Bereich der Fotografie einhergingen, wobei er sich vor allem auf die Formen der Archivierung, Kuratierung und Rezeption von Bildern konzentriert. »Effizient, optimiert, alltagstauglich? « Ausgehend von dieser Frage untersucht Tanja Carstensen in ihrem auf den Ergebnissen eines Forschungsprojekts basierenden Beitrag, wie »Digitale Praktiken zwischen Erwerbs- und Sorgearbeit« zum Einsatz kommen und den Alltag berufstätiger Eltern und ihrer Kinder beeinflussen. Eine »Kritik der digitalen Urteilskraft« unternehmen sodann Johannes Paßmann und Cornelius Schubert, die unter Rekurs auf »Soziale Praktiken der Geschmacksbildung im Internet« zeigen, wie Nutzer*innen von Social-Media-Plattformen einen reflektierten und kreativen Umgang mit Bewertungsstandards einüben und kultivieren. Schließlich erläutern Nick Couldry und Andreas Hepp im letzten Beitrag des Heftes, warum wir uns mit »Datafizierung« beschäftigen sollten und erklären, »Wie digitale Medien und ihre Infrastrukturen unsere Praktiken, unser Wissen und unsere soziale Welt verändern«.