Starke Männer sind aus dem politischen Geschehen der Gegenwart nicht mehr wegzudenken, mögen sie nun Donald Trump, Wladimir Putin, Xi Jinping, Viktor Orbán, Recep Tayyip Erdoğan, Jair Bolsonaro, Narendra Modi oder Rodrigo Duterte heißen. Sie sind „Figuren disruptiver Politik“ und als solche erstaunlich erfolgreich. Das aktuelle Heft des "Mittelweg 36" fragt nach Erklärungen für das gehäufte Auftreten Starker Männer in der politischen Welt des 21. Jahrhunderts.
Die Beiträge verbinden systematische Überlegungen mit Fallstudien. In ihrem Editorial zu „Strongman Politics. Autoritäre Personalisierung im 21. Jahrhundert“ geben die Heftherausgeber:innen Ulrich Bröckling, Dorna Safaian und Nicola Spakowski einen Überblick über die Forschungsliteratur und nennen Gemeinsamkeiten wie Unterschiede zwischen den verschiedenen Strongman-Regimen und ihren Regierungstechniken. Ulrich Bröckling zeichnet die „Konturen einer globalen Sozialfigur“ – der des Starken Mannes – nach, indem er die Beziehungsgefüge zu ihrer Anhängerschaft, zum engsten Kreis ihrer Gefolgsleute sowie zum Club der anderen Starken Männer macht- und herrschaftssoziologisch ausleuchtet. Laut Fabian Burkhardt, der sich mit „Putins personalisierter Macht im Krieg“ beschäftigt, zeichnet sich noch keine Erosion der Macht des russischen Präsidenten ab, und auch eine Kriegsniederlage müsste ihm, entgegen der landläufigen Meinung, nicht zwingend schaden. Nicola Spakowski bezeichnet Xi Jinping als „Starken Mann für eine starke Nation“. Sie beobachtet in China die Personalisierung einer Einparteienherrschaft, Xis Inszenierung passt sich an das Bild der Nation an, das einen immer größeren Stellenwert in der Legitimitätsbehauptung des Regimes einnimmt. Im Beitrag von Dorna Safaian geht es um den „Strongman als komische Figur“. Bildbeispiele aus der Social-Media-Kommunikation von Donald Trump, Jair Bolsonaro und Matteo Salvini belegen, wie die Strongmen Komik als Form disruptiver Kommunikation einsetzen, um Feindbilder zu konstruieren, Politik zu fiktionalisieren und Anhängerschaften affektiv anzusprechen. Unter Rückgriff auf die Konzepte hegemonialer Männlichkeit und hegemonialer Weiblichkeit arbeitet Dorit Geva, die sich mit Marine Le Pen als Starker Frau befasst, die Bedeutung von Gender in der Karriere Le Pens heraus: als Dimension ihres Führungsstils, ihres Auftretens, der Wahrnehmung durch ihre Anhängerschaft und ihres politischen Programms. Am Fall Donald Trumps, insbesondere an der Debatte um das sogenannte Access-Hollywood-Tape und den sprichwörtlich gewordenen locker room talk, macht Johannes Völz deutlich, wie Trump seine Autoritätsposition mit Mitteln ‚von unten‘ und der Stilpolitik des Außenseiters verteidigt. Während die vorangegangenen Beiträge den Aufstieg von Strongman-Regimen in der Gegenwart analysieren, erinnert Michael Riekenberg im Interview an die lateinamerikanischen Caudillos des frühen 19. Jahrhunderts und erläutert, wie sie neben dem ökonomischen auch militärischen und politischen Einfluss akkumulieren konnten.
Im „Ortstermin“ führt uns Maren Lehmann durch die Geschichte des Hauptlesesaals der Universitätsbibliothek Halle. Die verschiedenen Entwürfe und Dokumente zeigen, wie umkämpft die Gestaltung solcher akademischer Schauräume war.