Dass das Verhältnis von Demokratie und Autorität ein spannungsgeladenes ist, wussten schon die alten Griechen, steht der demokratische Anspruch auf gleichberechtigte Mitbestimmung aller doch unweigerlich in Widerspruch zu der Vorstellung freiwilliger Über- und Unterordnung, wie sie für die Idee der Autorität charakteristisch ist. Besser als manche ihrer heutigen Erben wussten die Politprofis der Antike allerdings auch, dass dieser Widerspruch sich nicht auflösen, sondern nur aushalten lässt, weil eine funktionsfähige Demokratie auf die Autorität von Ämtern und Personen nicht verzichten kann. Damit der Spagat zwischen Deliberation und Dezision, von Verhandlung und Führung gelingt, braucht es klug ausbalancierte Institutionen, die einen starken Staat ermöglichen, aber die Herrschaft eines starken Mannes – die beständige autoritäre Versuchung der Demokratie – verhindern. Vor dem Hintergrund der aktuellen populistischen Herausforderung der liberalen Demokratie unternehmen die Autorinnen und Autoren des aktuellen Heftes »Führen und Folgen. Über Autorität in der Demokratie« historische und politiktheoretische Probebohrungen auf umkämpftem Gelände.
In ihrem einleitenden Aufsatz erläutern Christoph Michael und Grit Straßenberger, warum politische Führung »Ein ambivalentes Konzept« ist und weshalb Autorität einem »Stachel im Fleisch der Demokratie« gleichkommt. Wie man als Führer einer demokratischen Bewegung durch das gekonnte Zusammenspiel von »Charisma, Organisation und Führung« politische Autorität gewinnt, zeigt Wilfried Nippel am Beispiel von Ferdinand Lassalle. Anschließend beschreibt Bernhard Dietz in »Weniger Autorität wagen«, welche Auswirkungen die Veränderung der politischen Großwetterlage in Deutschland nach 1968 auf die Führungskonzepte der bundesdeutschen Wirtschaft hatte. Die blinden Flecken und systematischen Defizite einer sich selbst als radikal verstehenden Demokratietheorie, die »Kritische Renitenz« mit Kritik verwechselt, führt Grit Straßenberger vor. Ebenfalls aus einer politiktheoretischen Perspektive fragt Felix Wassermann nach der besonderen Form epistemischer Autorität und ihrer Rolle im demokratischen Prozess, die immer dann virulent wird, wenn es heißt: »Experten haben festgestellt …«. In der »Literaturbeilage« setzt sich Stefan Kühl ausführlich mit den zahlreichen kritischen Kommentaren und Stellungnahmen auseinander, die seine 2014 unter dem Titel »Ganz normale Organisationen« erschienene organisationssoziologische Untersuchung des Holocaust hervorgerufen hat.
Und in der »Protest-Chronik« erinnert Wolfgang Kraushaar an den »Weltbürger Nr. 1«, Garry Davis, und dessen idealistischen Kampf für ein Ende der Nationalstaaten und die Errichtung einer Weltregierung.