ABSTRACTS, 562
EDITORIAL, 563
BEITRÄGE
Wolfgang Burgdorf Der „sang- und klanglose“ Untergang des Alten Reiches im August 1806, 564
Eric-Oliver Mader Das Vahlkampf’sche Schweigen Die Auflösung des Alten Reiches als Überforderung des Geistes, 574
Wolfram Siemann „Der deutsche Bund ist nur die Continuität des Reichs ...“ Über das Weiterleben des Alten Reiches nach seiner Totsagung im Jahre 1806, 585
BERICHTE UND KOMMENTARE Jutta Götzmann/Ansgar Reiß „Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation 962-1806 – Altes Reich und neue Staaten 1495-1806“ Das Alte Reich in der Frühen Neuzeit in einer Sonderaustellung des Deutschen Historischen Museums Berlin – Konzepte und Deutungen, 594
INFORMATIONEN NEUE MEDIEN Gudrun Gersmann Nicht nur Wikipedia Historische Enzyklopädien und Nachschlagewerke online, 602
LITERATURBERICHT Vadim Oswalt Elektronische Speichermedien, Teil I, 604
NACHRICHTEN, 620
AUS DEM VERBAND DER GESCHICHTSLEHRER Ralph Erbar Ein Geschichtsbuch für zwei Länder? Kritische Anmerkungen zum neuen deutsch-französischen Geschichtsbuch, 623
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Abstracts Heft 10/2006
Wolfgang Burgdorf Der „sang- und klanglose“ Untergang des Alten Reiches im August 1806 GWU 57, 2006, H. 10, S. 563–573
Anders als bislang behauptet, ist das Alte Reich 1806 keineswegs „sang- und klanglos“ untergegangen, sondern mit einem vernehmlichen Getöse, begleitet von den Klagen der Zeitgenossen in allen Teilen Deutschlands. Restriktionen der Kommunikation, wie die Unterbrechung des Postverkehrs, die in einigen Teilen Deutschlands bis zu einem Jahr dauerte, die Exekution des Buchhändlers Palm, die extreme Verschärfung der Zensur und insbesondere die Schrecken des neuen, fast unmittelbar folgenden Krieges erstickten diese Klagen jedoch sehr schnell. Zudem waren die Ereignisse wegen der Beteiligung noch regierender deutscher Fürsten in den unmittelbar folgenden Jahrzehnten tabuisiert. So entstand das bis heute nachwirkende Klischee vom „sang- und klanglosen“ Untergang des Reiches.
Eric-Oliver Mader Das Vahlkampf‘sche Schweigen Die Auflösung des Alten Reiches als Überforderung des Geistes GWU 57, 2006, H. 10, S. 574–584
Der mit der Abdankung von Kaiser Franz II. besiegelte Zusammenbruch des Alten Reiches wird von einem Großteil der Historiografie als nur papierener Akt betrachtet, der „sang- und klanglos“ vor sich gegangen und von desinteressierten Zeitgenossen stillschweigend übergangen worden sei. Joseph Anton von Vahlkampf, der zum Kanzleipersonal des Reichskammergerichts gehörte, stellte demgegenüber im Herbst 1806 ein Verstummen der vom Geschehen zutiefst verunsicherten deutschen Öffentlichkeit fest, für das er psychologische Ursachen geltend machte. Wie eine Kontextualisierung dieser Interpretation zeigt, charakterisierte Vahlkampf damit die Stimmung der Zeitgenossen am Reichstag, an der Reichskanzlei, am Reichskammergericht und unter den deutschen Fürsten, wo die Reaktionen fast ausnahmslos von Erschütterung, Fassungslosigkeit und Trauer geprägt waren. Vor diesem Hintergrund plädiert dieser Aufsatz dafür, der Auflösung des Reiches eine andere Relevanz als bisher zuzumessen und die begonnene wahrnehmungsgeschichtliche Neuperspektivierung dieser Zäsur und ihrer Auswirkungen zu intensivieren.
Wolfram Siemann „Der deutsche Bund ist nur die Continuität des Reichs …“ Über das Weiterleben des Alten Reichs nach seiner Totsagung im Jahr 1806 GWU 57, 2006, H. 10, S. 585–593
Der Beitrag verfolgt die Tradition des 1806 endenden Alten Reiches bis zur Wende 1866/71 und analysiert ein wenig beachtetes historisches ,Deutschland‘-Verständnis, das Österreich einschloss. Zugleich wird der unbeugsame Anspruch der Habsburgermonarchie herausgestellt, Politik in ,Deutschland‘ zu betreiben, ohne den Gesamtbestand der Monarchie preisgeben zu wollen. Diese Politik wird nicht als jüngst entdeckte Dimension eines ,multikulturellen‘ Vielvölkerstaates beschrieben, sondern als Willen einer dynastisch-aristokratischen und bürgerlichen deutschen Elite, ihre Politik als ,deutsch‘ zu deklarieren und den übrigen Nationalitäten – zumindest bis zum ,Ausgleich‘ 1867 – zu oktroyieren.