Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 64 (2013), 7–8

Titel der Ausgabe 
Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 64 (2013), 7–8
Weiterer Titel 
Geschichte im Film

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monatlich

 

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Institution
Geschichte in Wissenschaft und Unterricht
Land
Deutschland
c/o
Prof. Dr. Michael Sauer Universität Göttingen Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte Didaktik der Geschichte Waldweg 26 37073 Göttingen Tel. 0551/39-13388 Fax 0551/39-13385
Von
Sauer, Michael

Editorial von Michael Sauer

Schon mehrfach hat „Geschichte in Wissenschaft und Unterricht“ dem Thema „Geschichte im Film“ Hefte gewidmet, zuletzt insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Filmrezeption (Heft 10/2008, Heft 9/2010). Die Wahl dieses Gegenstands hat gute Gründe. Filme in ihren unterschiedlichen Genres gelten heutzutage als die wirkungsmächtigsten Geschichtsvermittler. Mit welchen Darstellungsweisen sie bei wem welche Wirkung erzielen, ist deshalb eine wichtige und spannende Forschungsfrage für Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik, aber auch für Medienwissenschaft und Medienpsychologie. Dabei sind die Interessen jeweils unterschiedlich gelagert. Geschichtswissenschaft und Medienwissenschaft befassen sich vornehmlich mit Medienproduktanalysen. Beide haben sich intensiv mit den Konstruktionsweisen von Fernsehdokumentationen beschäftigt; die Geschichtswissenschaft hat aber auch die Verarbeitung von Geschichte im Spielfilm schon einige Aufmerksamkeit gewidmet – dazu liegen u.a. einschlägige, epochal ausgerichtete Sammelbände vor. Die Geschichtsdidaktik sieht – ausgehend von ihrem Leitbegriff „Geschichtskultur“ – sowohl Produkt- wie auch Rezeptionsanalyse als ihre Aufgabe an, wobei sich freilich die begrenzten Ressourcen der Disziplin schmerzlich bemerkbar machen. Die Medienpsychologie schließlich hat – von einigen Ausnahmen abgesehen – das Forschungsfeld „Geschichte“ noch nicht weiter für sich entdeckt. Alles in allem gibt es wohl noch viel Raum für weitere Aktivitäten. für Produkt- wie für Rezeptionsanalysen, im Hinblick auf unterschiedliche Filmformate, für alle (potentiell) beteiligten Disziplinen.

Das vorliegende Heft bietet eine Mischung aus unterschiedlichen Zugängen. Die Beiträge von Sabine Moller und Andreas Sommer sind dem Aspekt der Filmrezeption gewidmet. Moller unternimmt erstmals in Deutschland einen Rückblick auf die Frühzeit der in den USA betriebenen Medienwirkungsforschung. Von dort ausgehend unterscheidet sie drei Ansätze, mit denen sie das Forschungsfeld systematisch erschließt. Sommer präsentiert die Ergebnisse einer qualitativ-empirischen Studie, die belegt und verdeutlicht, dass und wie Filmbilder die Vorstellungsbilder von Betrachtern beeinflussen – exemplarisch untersucht an Studierenden. Mit der Analyse zweier unterschiedlicher Filmgenres befassen sich die Aufsätze von Kirsten Moritz und Joël Graf. Moritz nimmt die vieluntersuchten Fernsehdokumentationen in den Blick. Neu an ihrer Studie ist, dass eine größere Anzahl von Konstruktionsmerkmalen in ihrem Zusammenspiel anhand eines Kategoriensystems quantitativ erfasst wird. Im Vergleich von fünf Sendungen der Jahre 1961 bis 2007 konstatiert die Verfasserin einen Trend zur Ästhetisierung und zur Fragmentierung des Filmnarrativs, wobei Fragmentierung eine Zunahme unterschiedlicher Perspektiven innerhalb der Filmdarstellung meint. Eine subtile Spielfilmanalyse steuert Joël Graf bei; er untersucht den spanisch-mexikanisch-französischen Spielfilm „Tambíen la lluvia“ (2010) im Hinblick auf seine äußerst komplexe Verschränkung von Zeit-, Realitäts- und Deutungsebenen bis hin zum Umgang mit einzelnen Quellenstücken. Der Thementeil wird abgerundet durch einen Beitrag in der Rubrik „Stichworte zur Geschichtsdidaktik“, der dem in der geschichtsdidaktischen Literatur wenig behandelten Medium Unterrichtsfilm gewidmet ist. Michael Sauer beschreibt dessen Bauweise, erörtert seine didaktischen Potentiale und Desiderate und erläutert Möglichkeiten des Unterrichtseinsatzes. Insgesamt stellt sich das Genre im Lichte aktueller geschichtsdidaktischer Standards eher als unterdidaktisiert dar.

Inhaltsverzeichnis

INHALT DER GWU 7–8/2013

ABSTRACTS (S. 386)

EDITORIAL (S. 388)

BEITRÄGE

Sabine Moller
Movie-Made Historical Consciousness. Empirische Antworten auf die Frage, was sich aus Spielfilmen über die Geschichte lernen lässt (S. 389)

Kirsten Moritz
Krieg auf dem Bildschirm. Eine empirische Studie zum Wandel bundesdeutscher Fernsehdokumentationen über den Russlandfeldzug (1941–43) (S. 405)

Andreas Sommer
„Da kommt das Bild aus dem Film“. Eine empirische Studie zur Rezeption und Wirkung von Historienfilme (S. 427)

Joël Graf
“Not Much Has Changed”. Geschichtsvermittlung im Spielfilm También la lluvia (2010) (S. 441)

Heike Christina Mätzing
Friedhöfe als historische Lernorte. Eine Problemskizze (S. 455)

Sascha Ignorek
Lernen für das Studium. Wissenschaftspropädeutik im Geschichtsunterricht der Sekundarstufe II – ein Vorschlag (S. 470)

STICHWORTE ZUR GESCHICHTSDIDAKTIK

Michael Sauer
Unterrichtsfilme und ihr Einsatz im Geschichtsunterricht (S. 486)

INFORMATIONEN NEUE MEDIEN

Gregor Horstkemper
Gefilmte Geschichte digital (S. 496)

LITERATURBERICHT

Sabine Dabringhaus
China, Teil II (S. 499)

NACHRICHTEN (S. 511)

AUTORINNEN UND AUTOREN (S. 513)

ABSTRACTS DER GWU 7–8/2013

Sabine Moller
Movie-Made Historical Consciousness. Empirische Antworten auf die Frage, was sich aus Spielfilmen über die Geschichte lernen lässt
GWU 64, 2013, H. 7/8, S. 389 – 404

Die Wirkung von filmischen Geschichtsdarstellungen auf das Geschichtsbewusstsein der Zuschauer wird allgemein als hoch eingeschätzt – auch wenn sie empirisch nur unzureichend erforscht ist. Der Beitrag kontrastiert Ansätze aus der Frühphase der Medienwirkungsforschung mit jüngeren Versuchen, die Wirkung bzw. Aneignung von Geschichtslmen zu ermitteln. Dabei wird deutlich, warum einzelne empirische Forschungsansätze mit gegenwärtigen Vorstellungen von Geschichte und Gedächtnis bzw. historischem Lernen nur schwer vereinbar sind. Der Beitrag versteht sich als erster Schritt zu einem historisch angeleiteten Methodenbewusstsein, das für die zukünftige Erforschung des Zusammenhangs von Filmwahrnehmung und Geschichtsbewusstsein aus geschichtsdidaktischer Perspektive unerlässlich ist.

Kirsten Moritz
Krieg auf dem Bildschirm. Eine empirische Studie zum Wandel bundesdeutscher Fersehdokumentationen über den Russlandfeldzug (1941–1943)
GWU 64, 2013, H. 7/8, S. 405 – 426

Die bisher vorliegenden Arbeiten zu historischen Fernsehdokumentationen über den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg haben methodische Probleme. Die Pilotstudie zu bundesdeutschen Fernsehdokumentationen über den Russlandfeldzug (1941–1943) wählt daher eine für diesen Bereich methodisch innovative Herangehensweise. Im Fokus steht der Einsatz verschiedener Gestaltungselemente in fünf ausgewählten dokumentarischen Fernsehsendungen (1961–2007). Die Untersuchung bietet eine quantizierende und intersubjektiv nachvollziehbare Datenbasis, die die bisherigen Forschungsergebnisse zum Thema ergänzt.

Andreas Sommer
„Da kommt das Bild aus dem Film“. Eine empirische Studie zur Rezeption und Wirkung von Historienfilmen
GWU 64, 2013, H. 7/8, S. 427 – 440

Die Studie beschreibt auf Grundlage von qualitativem Datenmaterial, wie historische Spielfilme Geschichtsbilder beeinflussen. Die Befunde machen deutlich, dass Zusammenhänge zwischen inneren Vorstellungsbildern, Geschichtsbildern und spezifischen historischen Spielfilmen bestehen. Eindrückliche Effekte zeigten sich insbesondere beim Themenfeld „Reformation“: Dort etablierte sich die Darstellung des Filmreformators aus „Luther“ (USA, BRD, GB 2003) in den Geschichtsbildern der Forschungspartner. Dieser Beitrag fokussiert vor allem methodologischen Erwägungen und stellt Einzelergebnisse vor.

Joel Graf
“Not Much Has Changed”. Geschichtsvermittlung im Spielfilm También la Iluvia (2010)
GWU 64, 2013, H. 7/8, S. 441 – 454

Der vorliegende Artikel befasst sich mit der Geschichtsvermittlung im Spielfilm También la lluvia (deutsch: Und dann der Regen). Dabei wird für eine Analyse plädiert, die neben dem Film an sich verstärkt die Rolle der Filmemacher berücksichtigt. Als Akteure in den Blick genommen werden insbesondere der Drehbuchautor Paul Laverty und der Historiker Howard Zinn, die beide einen maßgeblichen Einfluss auf den Entstehungsprozess von También la lluvia hatten. Thematisiert werden ferner Fragen der historischen Authentizität und der Möglichkeit einer multiperspektivischen Vermittlung von Geschichte.

Heike Christina Mätzing
Friedhöfe als historische Lernorte. Eine Problemskizze
GWU 64, 2013, H. 7/8, S. 455 – 469

Friedhöfe als außerschulische Lernorte spielen in den Kerncurricula (bislang) kaum eine Rolle, gleichwohl besitzen sie großes Potenzial für die Vermittlung prozess- und inhaltsbezogener Kompetenzen im Geschichtsunterricht. Grabmäler und -steine mahnen an unsere eigene Vergänglichkeit. Manche Grabinschrift berührt oder verweist auf die Wirkmächtigkeit von Menschen, zum Teil bis in die Gegenwart. Besuche jüdischer, christlicher und muslimischer Friedhöfe erlauben, die Totenkulte der drei abrahamitischen Religionen miteinander zu vergleichen und dabei auch Verbindendes zu entdecken. So fördern Friedhöfe nicht nur die Ausbildung von historischem/Zeit-Bewusstsein, sie bieten auch (fachübergreifend) Möglichkeiten für einen personengeschichtlich orientierten oder auf interkulturelles Verstehen ausgerichteten Geschichtsunterricht.

Sascha Ignorek
Lernen für das Studium. Wissenschaftspropädeutik im Geschichtsunterricht der Sekundarstufe II – ein Vorschlag
GWU 64, 2013, H. 7/8, S. 470 – 485

„Wissenschaftspropädeutik“ gilt im geschichtsdidaktischen Diskurs als eines der zentralen Vermittlungsmomente für den Geschichtsunterricht in der Sekundarstufe II, um Lernenden Wege zur Studierfähigkeit zu eröffnen. Der vorliegende Beitrag setzt diese programmatische Maxime in Bezug zur Methode des Stationenlernens und skizziert anhand eines praktischen Vorschlags zum französischen Absolutismus konzeptionelle Möglichkeiten wissenschaftspropädeutischen Arbeitens in der Oberstufe im didaktischen Spannungsfeld von offenem Unterricht, systematischem Methodenlernen und narrativer Kompetenz.

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