Unterrichtsplanung gehört zum Kerngeschäft von Lehrkräften. Angesichts dessen ist es er- staunlich, dass die Modellierung von Planungskompetenzen und vor allem deren empirische Überprüfung noch wenig etabliert sind. Für das Fach Geschichte gilt dies in besonderem Maße. Am intensivsten wird Unterrichtsplanung von angehenden Lehrkräften innerhalb der zweiten Ausbildungsphase betrieben und als Kompetenz eingeübt. Auch wenn in der späteren Praxis eine solche Planung nur noch in skizzenhafter Form stattfindet, bleiben sicherlich die zuvor im Referendariat erlernten Muster prägend. Deshalb sind die Konzepte und Praktiken, mit denen in Studienseminaren Unterrichtsplanungskompetenz vermittelt wird, von besonderem Interesse.
Im vorliegenden Heft berichten Vertreterinnen und Vertreter von Studienseminaren aus verschiedenen Bundesländern über ihre Praxis. Erbeten wurden Auskünfte über zugrundegelegte Kompetenzmodelle für Geschichtslehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler; über Strukturmodelle von Stundenplanung und die Gewichtung einzelner Aspekte darin; über Standards zur Formulierung von Kompetenz- und inhaltlichen Stundenzielen; über die Phasierung des Stundenverlaufs; schließlich über besondere Herausforderungen, die in der Lehre wahrgenommen werden. In ihren Ausführungen setzen die Autorinnen und Autoren jeweils eigene Akzente. Jan Al- broscheit (Hamburg) sieht eine besondere Schwierigkeit für die in Ausbildung befindlichen Lehrkräfte in der Themenbestimmung – ihnen fehlten oft entsprechende Fachkenntnisse –, im konstruktiven Umgang mit fachdidaktischen Prinzipien, in einer kohärenten, an einer inneren Logik ausgerichteten Stundenplanung sowie in der Gestaltung einer Vertiefungs- und Diskussionsphase. Als aktuelle Herausforderungen identifiziert Martin Cremer (Darmstadt) sprachsensiblen Geschichtsunterricht, Inklusion, digitale Medien, Bildung für nachhaltige Entwick- lung, Globalgeschichte und bilingualen Geschichtsunterricht; mit Blick auf diese verändere sich Geschichtsunterricht zwar nicht grundlegend, er müsse ihnen aber immer stärker Rech- nung tragen. Meike Engler, Benjamin Magofsky und Daniel Raths (Detmold) behandeln besonders ausführlich die Frage nach der angemessenen Formulierung von Lernzielen, bei denen gleichermaßen Themen bzw. Materialien, Erkenntnisse und spezifische Denkoperationen benannt werden. Zudem berichten sie über Alternativformate für Unterrichtsbesuche, die im Zuge der Corona-Krise in ihrem Seminar erprobt wurden – eine mögliche Anregung über die augenblickliche Notfallsituation hinaus. Anhand einer Beispielstunde legen schließlich Kers- tin Arnold und Michael Hoffmann (Stuttgart) detailliert ihr Planungskonzept dar. Als besonderes Problem benennen sie eine zunehmende Selbstüberschätzung von Referendarinnen und Referendaren. Diese hänge mutmaßlich auch mit der Einführung der Praxissemester zusam- men: Die dortigen Erfahrungen vermittelten eine vordergründige Sicherheit im Unterrichtsalltag; Desiderate – vor allem auch fachliche – würden dadurch weniger wahrgenommen.
Aus theoretischer Perspektive arrondiert wird das Heftthema durch den Beitrag von Jörgen Wolf. Darin geht es um die eingangs angesprochene Frage der Modellierung von Planungskompetenzen. Nach einem Forschungsüberblick stellt der Autor zunächst ein allge- meines Modell für Planungskompetenz vor, das die vielen Einzelfacetten – neben verschie- denen Wissensarten auch Faktoren wie Motivation oder Selbstwirksamkeitsüberzeugungen – zu integrieren versucht. Ein zweites Modell hebt konkreter auf einzelne Wissens- bzw. Pla- nungsbereiche ab und berücksichtigt dabei genauer fachspezifische Belange. An dieser Stelle lassen sich leicht Bezüge zu den Ausführungen aus den Studienseminaren herstellen. Alles in allem zeigen die Beiträge, dass auch und gerade bei einem „Alltagsthema“ wie Unterrichtsplanung erheblicher Austausch- und Klärungsbedarf besteht.
INHALT
ABSTRACTS (S.2)
EDITORIAL (S. 4)
BEITRÄGE
Jan AlbroscheitWarum ist Geschichtslehren so schwierig? Unterrichtsplanung aus der Perspektive der zweiten Phase der Geschichtslehrkräfteausbildung in Hamburg: ein Plädoyer für Anspruch und Pragmatismus (S. 5)
Martin CremerUnterrichtsplanung in der Zweiten Phase der Lehrkräfteausbildung Aktuelle Herausforderungen bei der Konzeption von Geschichtsunterricht am Studienseminar Darmstadt für Gymnasien (S. 15)
Meike Engler/Benjamin Magofsky/ Daniel RathsGrundsätze der Planung von Geschichtsunterricht – das Beispiel Detmold (S. 30)
Kerstin Arnold/Michael HoffmannVom Stoff zur Stunde Standardisierte Unterrichtsplanung als Hilfsmittel zur Schulung der Planungskompetenz (S. 44)
Jörgen WolfGeschichtsunterricht planen können. Ein Vorschlag zur handlungsnahen fachspezifischen Kompetenz- und Wissensmodellierung am Beispiel der Unterrichtsplanungskompetenz und des Unterrichtsplanungswissens von Geschichtslehrpersonen (S. 58)
Peter GeissKrieg – Diktatur – Verflechtung Nationalgeschichtliche Erzählungen junger Erwachsener aus den baltischen Ländern, Russland und Deutschland (S. 75)
STICHWORTE ZUR GESCHICHTSDIDAKTIK
Michael SauerThematische Strukturierung des Geschichtsunterrichts Konstruktionsprinzipien in Curricula und in der Unterrichtspraxis der Sekundarstufe I (S. 91)
Informationen Neue Medien
Gregor Horstkemper 2020 revisited: Der Niederschlag eines Krisenjahres in Online-Angeboten zur Geschichte (S. 100)
LITERATURBERICHT
Josef Memminger/Dietmar von ReekenGeschichtsdidaktik, Teil V (S. 103)
NACHRICHTEN (S. 118)
AUTORINNEN UND AUTOREN (S. 120)
ABSTRACTS
Jan AlbroscheitWarum ist Geschichtslehren so schwierig? Unterrichtsplanung aus der Perspektive der zweiten Phase der Geschichtslehrkräfteausbildung in Hamburg: ein Plädoyer für Anspruch und Pragmatismus Wie Lehrkräfte Geschichtsunterricht planen und inwiefern ihre Planungen guten Unterricht ermöglichen, sind sowohl für die Geschichtsdidaktik als auch für die Lehrerausbildung wichtige Fragen. Der Beitrag analysiert das „Problemfeld“ Unterrichtsplanung aus der Perspektive eines Fachleiters aus der zweiten Phase. Zunächst werden zentrale Herausforderungen beschrieben, mit denen sich Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst bei der Planung und Durchführung ihres Geschichtsunterrichts konfrontiert sehen. Unter Rückgriff auf fachdidaktische Angebote zur Unterrichtsplanung werden sodann Wege aufgezeigt, wie Novizen den Ansprüchen guten Geschichtsunterrichts gerecht(er) werden können.
Martin CremerUnterrichtsplanung in der Zweiten Phase der Lehrkräfteausbildung Aktuelle Herausforderungen bei der Konzeption von Geschichtsunterricht am Studienseminar Darmstadt für Gymnasien Der Beitrag nimmt die Ausbildungspraxis am Studienseminar Darmstadt für Gymnasien in den Blick. Unterrichtsplanung für das Fach Geschichte ist ein äußerst komplexes Konstrukt. Sehr schnell zu Beginn des Referendariats müssen als zentrale Basis der Planung das Konzept der Problemorientierung, die Arbeit mit Quellen und die Organisation einer kleinen kompetenzorientierten Unterrichtssequenz verstanden und genutzt werden, immer im Blick auf die Lerngruppe. Neuere fachdidaktische Forschungen und gesellschaftliche Herausforderungen erfordern eine große Flexibilität in der Ausbildung. Die Einbindung digitaler Medien und die Berücksichtigung der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) sind künftig planerisch stärker in den Blick zu nehmen.
Meike Engler/Benjamin Magofsky/ Daniel RathsGrundsätze der Planung von Geschichtsunterricht – das Beispiel Detmold Während angehende Lehrkräfte ihren Studienort meist nach längerer Abwägung der infrage kommenden Universitäten wählen, bleibt im zweiten Teil der Lehrerausbildung oft völlig unklar, welche Grundsätze der Unterrichtsplanung an den einzelnen Studienseminaren jeweils verfolgt werden und ob diese zu den eigenen Vorstellungen von Geschichtsunterricht passen. Der vorliegende Artikel gibt daher einen Einblick in zentrale Facetten der Unterrichtsplanung im Fach Geschichte am ZfsL Detmold. Neben der Entwicklung der Lehrerausbildung am Seminarstandort, den verwendeten Strukturmodellen und der Verlaufsplanung von Geschichtsstunden wird ein Schwerpunkt auf Lernziele im kompetenzorientierten Geschichtsunterricht gelegt, ein weiterer auf Alternativformate zu klassischen Unterrichtsbesuchen im Kontext der Covid-19-Krise.
Kerstin Arnold/Michael HoffmannVom Stoff zur Stunde Standardisierte Unterrichtsplanung als Hilfsmittel zur Schulung der Planungskompetenz Der Beitrag stellt vor, in welcher Form Referendarinnen und Referendaren am Seminar für Ausbildung und Fortbildung der Lehrkräfte in Stuttgart Planungsprinzipien für den Geschichtsunterricht vermittelt werden. Sie lernen, ihren Unterricht entlang eines standardisierten Unterrichtsentwurfs zu planen, in dem sie diesen vorab didaktisch, methodisch und pädagogisch durchdenken. Zentral für die zielführende Progression der Stunde ist dabei der Weg von der Kenntnis zur Erkenntnis und zur Beurteilung. Diese Unterrichtsplanung ist erlernbar und als solche eine notwendige, aber – und auch das wird in diesem Artikel reflektiert – keine hinreichende Bedingung für den Unterrichtserfolg.
Jörgen WolfGeschichtsunterricht planen können Ein Vorschlag zur handlungsnahen fachspezifischen Kompetenz- und Wissensmodellierung am Beispiel der Unterrichtsplanungskompetenz und des Unterrichtsplanungswissens von Geschichtslehrpersonen Um das prosperierende Forschungsfeld zu Unterrichtsplanungskompetenzen geschichtsdidaktisch zu konturieren, werden in diesem Beitrag handlungsnahe Kompetenz- und Wissensmodelle zur Unterrichtsplanung im Fach Geschichte vorgestellt. In Auseinandersetzung mit bislang vorliegenden Kompetenz-Modellen aus anderen Domänen wird dazu zunächst ein generisches Modell zur Unterrichtsplanungskompetenz dargelegt, welches insbesondere den Zusammenhang zwischen Planungskompetenz und Professionswissen verdeutlicht und auf Basis empirischer Erkenntnisse erstmals auch Aspekte des Planungsprozesses integriert. Des Weiteren wird gezeigt, dass zur Konkretisierung dieses allgemeinen Modells das fachspezifische Planungswissen herauszuarbeiten ist, welches jeweils für Teilaufgaben der Unterrichtsplanung im Fach Geschichte benötigt wird. Dies wird anhand eines weiteren Modells zum Planungswissen dargestellt und an einem fachlich relevanten Wissensinhalt erläutert. Abschließend werden die weiteren Herausforderungen zur Überprüfung der Annahmen mittels empirischer Testung skizziert.
Peter GeissKrieg – Diktatur – Verflechtung Nationalgeschichtliche Erzählungen junger Erwachsener aus den baltischen Ländern, Russland und Deutschland Der Beitrag stellt anhand einer kleinen Textauswahl nationalgeschichtliche Narrationen vor, die junge Erwachsene aus den baltischen Ländern sowie aus Russland und Deutschland im Rahmen eines Seminars der Deutschbaltischen Studienstiftung verfasst haben. Die Analyse des Materials erfolgt in der Annahme, dass die potenzielle Bedeutung nationalgeschichtlicher Erzählungen für internationale Spannungen, aber auch für deren Überwindung gerade in der geo- und geschichtspolitischen Konfliktzone zwischen den östlichen NATO-Staaten und Russland eine weitergehende Erforschung auf breiter empirischer Grundlage rechtfertigen würde.